Deutschland befindet sich im Krieg gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS), neuerdings auch Daesh genannt. Noch hat dies kein führender deutscher Politik in aller Deutlichkeit so bekundet, kein Bundeswehr-Soldat einen Schuss gegen einen der Dschihadisten abgefeuert. Das ist gar nicht nötig. „Konfrontiert mit Krieg muss die Nation angemessene Maßnahmen ergreifen“, hieß es von Seiten des französischen Präsidenten Francois Hollande nach den Terrorangriff in Paris. Zugleich rief er den Bündnisfall für die EU aus, womit er Fakten für alle andere Mitgliedsstaaten geschaffen hat. Der deutschen Regierung blieb kaum etwas anderes übrig, als ihre uneingeschränkte Solidarität mit Frankreich zu bekunden und ein Bundeswehr-Mandat für Syrien anzustreben. Während noch über Sinn und Ziele eines Auslandseinsatzes in dem Land öffentlich debattiert wird, hat der Bundestag vergangenen Freitag dementsprechend reagiert: Ab Januar werdenTornado-Aufklärungsflugzeuge in Syrien eingesetzt sowie ein Tankflugzeug. Eine deutsche Fregatte soll den französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle schützen.
Daneben tobt weiterhin eine erbitterte Auseinandersetzung über den Umgang mit den Flüchtlingen innerhalb der EU. So haben die Regierungen von Ungarn und der Slowakei eine Klage gegen Pflichtquoten zur Aufnahme von Asylsuchenden vor dem Europäischen Gerichtshof angekündigt. Die beiden Länder weigern sich beharrlich, Hilfesuchenden Schutz zu gewähren und den entsprechenden Mehrheitsbeschluss des Ministerrates umzusetzen. Wie mit jenen Menschen umzugehen ist, die noch gar nicht in der EU sind, ist ebenfalls vollkommen offen. Grenzen dicht und abschotten oder eine Politik der offenen Arme lautet der Kontrapunkt, der einem Glaubensbekenntnis gleichkommt, weswegen die Kompromisssuche so schwer fällt.
Der kurze Umriss beider Krisen zeigt, dass der gesellschaftlichen und politischen Sphäre von außen ein Wandel aufgezwungen wird, dessen Ende und Wirkung nicht absehbar ist. Krisen haben aber auch immer gemein, dass im Dauerrauschen medialer Berichterstattung über sie andere Themen vornüberfallen. Diese Randnotizen haben keine epochale Durchschlagkraft, können aber aufzeigen, wohin die Reise gehen könnte. So haben die EU-Innenminister vergangenen Freitag unter dem Eindruck der Pariser Terroranschläge eine weitreichende Fluggastdatenspeicherung beschlossen. Demnach sollen sechs Monate lang 60 Datenpunkte über Passagiere auf transkontinentalen und innereuropäischen Flügen gespeichert und unter den Mitgliedsstaaten automatisch ausgetauscht werden. Darunter fallen Reiserouten, Name, E-Mail-Adresse, Kreditkartennummern sowie Informationen über Gepäck und Essenswünsche. Nach Ablauf der Frist verbleiben die Informationen ohne direkten Personenbezug für weitere fünf Jahre auf den Servern. Eine Entschlüsselung ist auf Antrag einer EU-Behörde insbesondere bei Terrorismus-Verdacht möglich.
Zugleich fand zum ersten Mal das „Internet-Forum“ in Brüssel statt. Die Gruppe besteht aus Unternehmensvertretern, EU-Ministern, EU-Parlamentarier und dem Koordinator für Terrorismusbekämpfung, Gilles de Kerchove. Ihr Ziel ist ein Konzept zur Löschung von rechtsextremistischer und Terror-Propaganda im Netz. So verständlich dieser Vorstoß ist, völlig unklar bleibt dabei, wo das Gut der Meinungsfreiheit sein Ende finden soll und darf.
Beide Ereignisse zeigen, dass bereits jetzt mit einem alten Reflex auf die neuerlichen Herausforderungen reagiert wird – mit einer Einschränkung der Bürgerrechte. Diese fatale Entwicklung gilt es von Beginn an einzuhegen, auch wenn sie bisher in unseren Zeitungen nur als Randnotizen erscheinen.
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