Scholz ist wie Schäuble, nur netter

, von  Christian Ramthun

Scholz ist wie Schäuble, nur netter
Scholz ist seit 2018 deutscher Finanzminister Foto: Holger Rings / Flickr / Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0)

Olaf Scholz tritt in Washington im Kreis der globalen Finanzminister in der Form höflich, in der Sache hart auf – und träumt von der Kanzlerschaft 2021.

Eine halbe Stunde wartet Bundesfinanzminister Olaf Scholz geduldig auf dem Podium, bis ihn die Gesprächsleiterin nach dem Amerikaner, dem Italiener und dem Portugiesen endlich drannimmt. Diese, keine geringere als die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, fragt den Deutschen nach seiner Vision als neuer Finanzminister. Schließlich ist Schäuble, pardon: Scholz nach dem US-Finanzminister der wichtigste Player bei der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank, und da möchten die anderen nur allzu gern wissen, wie der Neue tickt.

Scholz spult routiniert seine Agenda herunter, die EU muss sich weiter entwickeln, Europa ist überlebenswichtig, er ist für eine Bankenunion nach einer sauberen Vorbereitungszeit, und die transatlantischen Beziehungen dürfen auch nicht fehlen. Scholz steht ganz in der Tradition seines Amtsvorgängers Wolfgang Schäuble (CDU), mit dem die Französin Lagarde trotz aller unterschiedlichen Vorstellungen etwa bei der Behandlung von Griechenland ein liebevolles Verhältnis pflegte. Gegenüber Scholz ist dies (zunächst) nicht erkennbar, es ist eher ein interessiertes Kennenlernen-Wollen bei Lagarde und den anderen Teilnehmern.

Immerhin spricht Scholz ein viel besseres Englisch als Schäuble, der immer wieder nach Worten rang und gelegentlich deutsche Brocken hineinmengte (legendär ist sein Satz 2012 in Singapur: „I think there will be no Staatsbankrott in Greece“). Scholz spricht fließend Englisch, sein Wortschatz ist für die Verhältnisse deutscher Politiker beachtlich gut. Scholz wirkt auch weniger schroff und streng als sein Amtsvorgänger, er lässt die deutschen Bedenken und Bedingungen eher beiläufig einfließen, etwa bei der geplanten Bankenunion, die Scholz prima findet, wobei aber vorher noch die alten Lasten und Risiken der Banken in den einzelnen Mitgliedsländern zu bereinigen seien.

Gleichwohl fühlt sich Scholz wie Schäuble als überzeugter Europäer, der das Schicksal der EU mit dem Deutschlands verknüpft. Ein Europa des 18., 19. Und auch noch 20. Jahrhunderts mit vier oder fünf kontinentalen Mächten, die miteinander um die Vorherrschaft rangeln, ist für den Sozialdemokraten eine Horrorvision. Deutschland muss integraler Teil Europas sein, und auch die transatlantischen Beziehungen sind für Scholz unverzichtbar, sagt er bei einer Stippvisite beim German Marshall Fund in Washington. Unter schlaflosen Nächten leide er aber nicht, als er danach von der Gastgeberin gefragt wird. „Hanseaten sind pragmatisch“, sagt der frühere Hamburger Bürgermeister und fügt hinzu: „Man kann nicht überleben, wenn man nicht optimistisch ist.“

Zum Optimismus des SPD-Politikers zählt, auf der politischen Karriereleiter noch höher hinauszuwollen. Selbstbewusst erklärt der Vizekanzler in Washington, der nächste Kanzler sollte ein Mann oder eine Frau aus der SPD sein. Zunächst aber muss die sozialdemokratische Partei wieder auf die Beine kommen, da bei einem Stimmenanteil von 20 Prozent die Chancen für eine Kanzlerschaft sehr überschaubar sind. Das weiß auch Scholz, und er hat einen Plan, wie es im Jahr 2021 bei der nächsten Bundestagswahl besser laufen könnte. „Wir Sozialdemokraten müssen zeigen, dass wir das Land regieren können.“ Das ist eine Absage an kostspielige Blütenträume und zu viel linker Programmatik. Gleichwohl müsse die Sozialdemokratie Antworten auf die großen Veränderungsängste der Mittelklasse finden, auf wegbrechende Jobs im Zeitalter der Digitalisierung.

Bei seiner ersten Teilnahme an der Frühjahrstagung will sich Scholz nicht auf die Rolle des Bundesfinanzministers reduzieren lassen. Scholz ist ja auch Vize-Kanzler. In dieser Funktion trifft er an diesem Donnerstag im Weißen Haus den amerikanischen Vize-Präsidenten Mike Pence. Es geht um den noch immer drohenden Handelskrieg. Pence hat unter Präsident Donald Trump – dessen Namen Scholz sich zu nennen weigert – zwar nicht allzu viel zu melden. Doch immerhin ist Pence der zweite Mann der mächtigen Vereinigten Staaten, den Scholz aufsuchen darf –eine Aufmerksamkeit, nach der sich auch Schäuble gesehnt hätte.

Dieser Artikel erschien zuerst bei unserem Medienpartner EURACTIV.

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