Was bleibt von der alten Koalition?
Die vorgezogenen Nationalratswahlen haben wegen der Auflösung der bisherigen Regierung der ÖVP und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) stattgefunden. Kurz zur Erinnerung: der Grund dafür war die Veröffentlichung des sog. Ibiza-Videos, in dem der ehemalige FPÖ-Chef Heinz Christian Strache Bereitschaft zur Korruption gezeigt hat. Gleich nach der Veröffentlichung des Videos haben noch viele die FPÖ unterstützt. Es sei eine „B’soffene G’schicht“, nichts mehr. Nichts hat darauf hingedeutet, dass etwas die weiteren Erfolge der Freiheitlichen verhindern könnte. Dann aber wurde bekannt, dass HC Strache als FPÖ-Obmann über großzügige Spesenkonten verfügt hat, welche nicht immer korrekt abgerechnet wurden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreue. Außerdem hat er einen Mietzuschuss von 2500 Euro monatlich bekommen. Das Image des immer volksnahen HC hat einen Riss bekommen. Dem „kleinen Mann“ war das zu viel – und er hat die FPÖ deswegen bestraft. Die Partei hat fast 10 Prozentpunkte einbüßen müssen und ist mit 16,2% auf Platz drei gelandet. Der Sieger, die ÖVP, hat wiederum 37,5% der Stimmen erhalten. Jetzt muss sie entscheiden, mit wem sie koalieren will.
Nach den Wahlen ist vor den Wahlen
Dabei hat sie mehrere Möglichkeiten. Außer der schon erwähnten FPÖ kann sie Sondierungsgespräche mit der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) führen. Die Sozialdemokraten haben viele Wähler*innen verloren und belegen mit 21,2% den zweiten Platz. Eine Koalition der beiden großen Parteien scheint dennoch unwahrscheinlich, denn die SPÖ hat sich in ihrem Wahlkampf als Gegenpol zur ÖVP positioniert. Außerdem war es die SPÖ, die den Antrag auf das Misstrauensvotum gegen die Regierung von Sebastian Kurz gestellt hat. Weder dieser Versuch, sich eindeutig gegen Kurz zu positionieren, noch die zahlreichen Plakate mit den „Menschlichkeit siegt“-Sprüchen haben die Herzen der Wähler*innen erobert. Die SPÖ hat zwar in ihrer Hochburg Wien gewonnen, aber vor den dort anstehenden Wahlen 2020 hat sie ein großes Problem: Mit welchen Inhalten wird sie neue Unterstützer*innen anlocken? Wer wird zum Gesicht der erneuerten SPÖ? Die Position der Sozialdemokraten in ihrer letzten großen Bastion war nie so unsicher wie jetzt.
Zurück zu den Grünen
Die Wahl hat neben der ÖVP aber noch einen Sieger und zwar die Grünen. 2017 haben sie es nicht ins Parlament geschafft. 2019 haben sie ein Comeback im großen Stil gefeiert – 13,8% der Wähler*innen haben ihnen vertraut. In zehn Wiener Bezirken haben sie sogar die meisten Stimmen erhalten. Das zeigt nur, wie wichtig der von der Partei propagierte Klimaschutz geworden ist. Viele Bürger*innen haben 2017 noch für die Liste Pilz gestimmt, die von dem ehemaligen grünen Politiker gegründet wurde. Heuer sind sie zu den Grünen zurückgekehrt. Die Grünen haben eine Chance, in der Koalition mit der ÖVP zu regieren und ihr umweltfreundliches Programm durchzusetzen. Dies wäre eine interessante Variante, dennoch gibt es viele Streitpunkte zwischen beiden Parteien. Das Paradebeispiel sind die Wirtschaftsthemen. Während sich die ÖVP für Nulldefizit und Ausgabenbremse ausgesprochen hat, steht die ökosoziale Steuerreform für die Grünen im Vordergrund. Auch die CO2-Steuer könnte zum Zankapfel werden. Der grüne Parteichef Werner Kogler hat sich aber für die Koalitionsgespräche offen gezeigt. Vollständigkeitshalber ist es zu erwähnen, dass auch die Neos als fünfte Partei den Einzug in den Nationalrat geschafft haben. Mit 8,1% aller Stimmen bekommen sie voraussichtlich 15 Sitze. Die Parteichefin Beate Meinl-Reisinger hat den Schwerpunkt des Wahlkampfes auf Bildung und Chancengleichheit gesetzt, was manche Wähler*innen überzeugt haben mag. Bald wird Sebastian Kurz mit der Regierungsbildung beauftragt. Ob er auf die Türkis-Blaue oder Türkis-Grüne Variante setzt, wird die Richtung der österreichischen Politik in den nächsten Jahren maßgeblich bestimmen. Oder bis zum nächsten großen Skandal. Wie es bei uns in Österreich üblich ist.
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