Sommeraffären aus Österreich

, von  Jagoda Pokryszka

Sommeraffären aus Österreich

Der Wahlkampf vor den Nationalratswahlen in Österreich ist inzwischen in vollem Gange und es wird mit harten Bandagen gekämpft. Die Parteien selbst liefern viel Gesprächsstoff und können die Geister der Vergangenheit nicht loswerden.

Am 29. September werden mehr als 6 Millionen Österreicher*innen die Abgeordneten zum Nationalrat wählen. Acht Parteien haben in allen Landeswahlkreisen ihre Wahlvorschläge eingebracht und Umfragen deuten darauf hin, dass fünf von ihnen die Hürde von 4% überschreiten werden.

Die Wahlen wurden nach der sog. Ibiza-Affäre ausgerufen, in die die regierende FPÖ-Partei involviert war. Der Eklat wurde durch ein 2017 auf Ibiza aufgenommenes Video ausgelöst. Darin sprachen der damalige FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache und Johannes Gudenus, Wiener FPÖ-Stadtrat, mit der vermeinten russischen Oligarchennichte und zeigten Bereitschaft zu der Korruption und der verdeckten Übernahmen der unabhängigen Medien. Infolgedessen ist es zum Koalitionsbruch gekommen und das Parlament hat im Misstrauensvotum gegen die Alleinregierung von Sebastian Kurz gestimmt. Wer aber denkt, dass nach der Auflösung der ÖVP-FPÖ-Koalition Ruhe eingekehrt ist, liegt falsch.

„Novomatic zahlt alle“

Vor Kurzem wurden Hausdurchsuchungen u.a. bei HC Strache (Ex-FPÖ-Chef), Johannes Gudenus (Ex-FPÖ-Klubchef) sowie in den Personalbüros des Casinos Austria AG (Casag) durchgeführt. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts der Bestechung und Bestechlichkeit. Dabei geht es um Peter Sidlo, den FPÖ-Bezirksrat, der zum Finanzchef der Casinos Austria AG ernannt wurde, obwohl er laut dem Personalberater für den Job nicht geeignet war. Casag ist kein beliebiges Unternehmen, sondern einer der größten österreichischen Steuerzahler und der Staat besitzt Anteile der Firma. Dementsprechend sollten hohe Ansprüche an Transparenz und Integrität gestellt werden. Warum wurde also ein unerfahrener Politiker angestellt? In einer anonymen Notiz an die Korruptionsstaatsanwaltschaft wird behauptet, dass mit Novomatic ein großer österreichischer Glücksspielkonzern und weiterer Aktionär der Casag dem FPÖ-Bezirksrat zu dem Posten verholfen haben soll. Im Gegenzug sollten sich HC Strache und Johannes Gudenus (damals beide noch aktive FPÖ-Politiker) dafür einsetzen, dass Novomatic eine Online-Glücksspiel-Lizenz erhält. „Novomatic zahlt alle“, wie HC Strache im berüchtigten Ibiza-Video erwähnt hat.

Die Ermittlungen sind im Gange, aber der Aufruhr ist schon jetzt groß. Wie kann man eine Partei wählen, der derartige Bestechung vorgeworfen wird? Selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung, aber das Ibiza-Video hat gezeigt, wie weit manche (Ex-)FPÖ-Politiker bereit sind zu gehen, um Macht zu ergreifen. Trotzdem bleibt die Unterstützung für die FPÖ eher konstant. Für manche Wähler scheint es keine Rolle zu spielen, dass die ehemaligen Parteifunktionäre in eine rechtsstaatliche Affäre eingewickelt sind. Die anderen wiederum erwarten Ehrlichkeit, Transparenz und bedingungslose Beibehaltung der Rechtsstaatsprinzipien. Wer sich allerdings mehr Integrität von den anderen Parteien in der österreichischen Politik erhofft, sollte sich nicht zu früh freuen.

Operation Reißwolf

Sebastian Kurz, der ehemalige ÖVP-Bundeskanzler, hat die Kunst vom Message Control perfektioniert. Die Informationen, die an die Medien weitergegeben wurden, waren immer streng kontrolliert, die – vorher abgesprochenen - Auftritte der Regierungsmitglieder durchaus integer. Das perfekte Image vom Bundeskanzler Image hat viele Wähler*innen begeistert. Der Inszenierungsmeister hat aber nicht voraussehen können, dass einer der Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes in so ein Fettnäpfchen tritt.

Der IT-Mitarbeiter wollte fünf Drucker-Festplatten schreddern lassen. Eigentlich ist es üblich, die Dateien beim Regierungswechsel zu vernichten. Ohne Kommentar. Aber wenn man schon derart intransparent handelt, sollte man den Job richtig machen. Der IT-Mitarbeiter hat zwar einen falschen Namen bei der Aktenvernichtungsfirma Reißwolf angegeben. Jedoch hat er seine richtige Telefonnummer hinterlassen und die Rechnung nicht beglichen. Das Unternehmen benachrichtigte infolgedessen die Polizei, die wiederum den ungeschickten Mitarbeiter des Kanzleramtes identifiziert hat.

Die Causa wirft viele Fragen auf: warum lässt die ÖVP kurz nach dem Misstrauensvotum gegen Sebastian Kurz Festplatten zerstören? Hat diese Affäre etwas mit dem Ibiza-Video zu tun? Wusste Sebastian Kurz vom Schreddern? Die Oppositionsparteien fordern Aufklärung und haben nun genug Material, um die ÖVP im bevorstehenden Wahlkampf anzugreifen.

Alles bleibt beim Alten

Wir befinden uns seit Monaten in diesem politischen Schlamassel. Ob die Nationalratswahlen frischen Wind und eine neue offene Politikkultur mitbringen, ist fraglich. Die Geschichte der Zweiten Republik ist gekennzeichnet durch verschiedene Affären, Eklats und Skandale. Sei es die Waldheim-Affäre, Causa BUWOG oder die Geschichte rund um die Eurofighter. Es sind unzählige Bücher darüber geschrieben worden und man könnte eine eigene Artikelreihe daraus machen. Aus allen diesen Skandalen wurde dennoch nichts gelernt. Man regt sich auf, diskutiert darüber am Stammtisch, aber im Endeffekt werden dieselben Parteien gewählt, die die Probleme verursacht haben.

Mit Spannung wird auf die Ergebnisse der Ermittlungen der Justiz gewartet, um dann wie immer sagen zu können: „Wird scho passen“. Vielleicht wird der Wunsch vieler Bürger*innen nach mehr Transparenz und Ehrlichkeit erfüllt, was zu hoffen wäre, aber bis dahin werde ich Euch über die interessantesten Ereignisse unseres innenpolitischen Sumpfs im Land der Berge und Seen informieren.

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