Irland: Der 38-jährige Leo Varadkar wird Europas jüngster Regierungschef
Seit einem Jahr befindet sich Irland im Umbruch: die Brexit-Frage beherrscht die Innenpolitik und sorgt angesichts der unsicheren Auswirkungen für Unruhe. Entnervt trat Premierminister Enda Kenny zurück und Leo Varadkar wurde zum jüngsten Premierminister der Geschichte Irlands gewählt.
Am Mittwoch, den 17. Mai 2017, warf der irische Premierminister Enda Kenny (Fine Gael, Rechtszentrum) das Handtuch und trat als Parteichef zurück. Seit 15 Jahren an der Parteispitze und deswegen profunder Kenner des irischen politischen Systems, wurde er im Mai 2016 mit einer knappen Mehrheit als taoiseach, gälische Bezeichnung des irischen Premierministers, im Amt bestätigt. Weniger als ein Jahr nach seiner Wiederwahl sieht er sich jedoch heftiger Kritik ausgesetzt, insbesondere in Folge seines Missmanagements in einem Polizeiskandal. Ein Whistleblower-Polizist wurde fälschicherweise wegen Kindesmissbrauchs angeklagt und der Regierung wird angelastet, seinen Ruf ruiniert zu haben.
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Anfang Juni übernimmt Leo Varadkar die Parteispitze des Fine Gael und wird am 14. Juni 2017 mit 38 Jahren der jüngste Premierminister des Landes. Dieser junge, offen homosexuelle Politiker und gelernte Mediziner gehört derselben politischen Strömung an, die sich seit dem Wahlsieg Alexander van der Bellens in Österreich im Dezember 2016 in Europa herausbildet: eine Sammlungsbewegung um ein pro-europäisches Programm ohne eine eindeutige Festlegung auf „einer Links-Rechts-Achse“. Um die Bewahrung der Einheit des Fine Gael bestrebt, integriert er selbst seinen Konkurrenten bei der Wahl zum Parteivorsitzenden, Simon Coveney, in die Regierung, indem er ihm das Außenressort anbietet.
Auf Leo Varadkar warten nun komplexen Aufgaben, deren Erledigung sein Vorgänger nicht abgeschlossen hat. Zuerst die Brexit- und die heikle Nordirland-Frage. Der neugewählte Premierminister hat bereits die Parteienvorsitzenden Nordirlands getroffen, denjenigen des Sinn Fein (nationalistisch, für eine Wiedervereinigung Irlands) und des DUP (unionistisch, mit der Regierung Theresa Mays alliiert). Aber auch die Fragilität der aktuellen Regierung bereitet Sorgen: Varadkars Wahl mit knapper Mehrheit bei Enthaltung von etwa einem Drittel der Abgeordneten stellt keinen starken Rückhalt im Parlament dar. Schließlich wird eine Steuerreform zu den wirtschaftspolitischen Prioritäten des neuen Premierministers zählen.
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Tschechische Republik: Große Konfusion vor der Wahl im Oktober
Im Vorfeld der Parlamentswahlen im kommenden Oktober trifft der Premierminister Sobotka im Mai die Entscheidung, mit seiner gesamten Regierung zurückzutreten. Einige Tage nach dieser Ankündigung widerruft er seinen Rücktritt. Erklärungen.
Man benötigte schon einige Kenntnis im Verfassungsrecht, um zu begreifen, was sich im Kopf des sozialdemokratischen Premierministers, Bohuslav Sobotka, vergangenen Mai abgespielt hat: Binnen einer Woche reicht er seinen Rücktritt ein und widerruft seine Entscheidung. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der Tschechischen Republik zwei wichtige Wahlen bevorstehen: Die Parlamentswahlen am kommenden 20. Oktober und die Präsidentschaftswahl im Januar 2018. Darüber hinaus existieren beachtliche Spannungen innerhalb der Regierungskoalition zwischen den Koalitionspartnern CSSD (Sozialdemokraten, Partei des Premierministers), ANO (populistische Antisystembewegung) und KDU-CSL (Christdemokraten).
Eine zentrale Figur des politischen Lebens Tschechiens: Finanzminister Andrej Babis. Seit 2011 Parteigründer und -vorsitzende von ANO (Aktion unzufriedener Bürger), entwickelte sich der Milliardär, der auf seine Beliebtheit im Land setzen kann, zum besten politischen Feind des sozialdemokratischen Premierministers Sobotka. Andrej Babis wird in Zusammenhang mit seinem Agrarunternehmen Agrofert, größter Arbeitgeber des Landes, jedoch auch verdächtigt, mit einem fragwürdigen Transaktionssystem und Methoden der Steuervermeidung verbunden zu sein. Grund genug, dass Premierminister Sobotka ihn lieber außerhalb seines Kabinetts sehe. Jedoch lehnt der betroffene Minister einen Rücktritt ab. Daher kündigt Bohuslav Sobotka am 2. Mai an, mit seinem gesamten Kabinett zurückzutreten, um den Vize-Premierminister und Finanzminister de facto zur Entlassung zu zwingen.
Ein Blick in die tschechische Verfassung offenbart die zunehmende Komplexität, die sich mit dem Rücktritt einer Regierung einstellt. In der Tat wird dort eine Unterscheidung zwischen dem Rücktritt des Regierungschefs – des Premierministers – und demjenigen der anderen Kabinettsmitglieder – der Minister – getroffen. Zudem ist es dem Wortlaut zufolge möglich, dass der Rücktritt des Premierministers nicht den Rücktritt der gesamten Regierung nach sich zieht, sondern nur seine eigene Person betrifft. So hat es auf jeden Fall der Präsident der Republik, Milos Zeman, interpretiert, dessen Aufgabe es ist, die Minister zu ernennen und zu entlassen. Als Konsequenz trat der Premierminister vom Rücktritt zurück, der ohnehin nicht den erhofften Effekt gehabt hätte. Im Gegenzug bat er den Präsidenten um die Entlassung Andrej Babis, die am 25. Mai erfolgte. Schließlich kündigte Premierminister Sobotka an, im Wahlkampf nicht als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten anzutreten. Den Umfragen zufolge befindet sich die tschechische Linke in Schwierigkeiten und stößt damit für den nun ehemaligen Finanzminister, Andrej Babis, und seine Partei ANO die Tür zur Macht weit auf: mehr als 30% der Wähler beabsichtigen, im Oktober für ihn zu stimmen.
Frankreich: Pause für den Euroskeptizismus
Mit nicht weniger als vier Wahlsonntagen hat Frankreich seit Anfang des Jahres einen intensiven Wahlkampf erlebt. Zwischen demokratischer Müdigkeit und der Rechtspopulismus an der Schwelle zur Macht, standen europäische Themen stärker als üblich im Zentrum der Debatte.
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Mit einer komfortablen Mehrheit in der Nationalversammlung ausgestattet, schlägt Macron den Weg der Erneuerung, einer Umgestaltung des politischen Lebens und des Willens zur Vertiefung des europäischen Projekts ein. Gerade auf europäischer Ebene verstärkt sich nun Macrons Glaubwürdigkeit im selben Maße wie dort zuvor einigen das katastrophale Szenario einer Wahl Le Pens zugesetzt hatte. Nichtsdestoweniger zeugt die historisch niedrige Beteiligung an der Wahl zur Nationalversammlung von einer Wahlmüdigkeit der Franzosen und ihrer immer sichtbarer werdenden Abwendung vom aktuellen politischen System.
Nach ihrem missglückten Auftritt in der Fernsehdebatte zwischen den beiden Wahlgängen und einer vorausgesehenen Wahlniederlage bei den Parlamentswahlen hat der Front National (FN) nun Schwierigkeiten, seine Wähler wieder zu mobilisieren. Nach dem Rekordergebnis von mehr als 10 Millionen Stimmen im Zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl, musste der FN bei den Parlamentswahlen eines seiner schlechtesten Ergebnisse hinnehmen und stellt nun gerade einmal acht Abgeordnete in der Nationalversammlung. Angesichts einer immer stärker zu Tage tretenden internen Spaltung des FN lässt sich noch nicht vorhersehen, wie die Partei ihre Oppositionsrolle interpretieren wird.
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Deutschland | 12. Februar | Präsidentschaftswahl: Die Bundesversammlung wählte den neuen Bundespräsidenten, Frank-Walter Steinmeier |
Nordirland | 2. März | Wahlen zum Regionalparlament: Irische Nationalisten und britische Unionisten scheitern an der Regierungsbildung |
Ungarn | 13. März | Präsidentschaftswahl: Die Nationalversammlung wählt Janos Ader (unabhängig, unterstützt von Viktor Orban) auf den Posten des Staatsobershaupts |
Niederlande | 15. März | Parlamentswahl: Wilders scheitert bei der Machtübernahme, Mark Rutte kann eine neue proeuropäische Regierung bilden |
Bulgarien | 26. März | Parlamentswahl: Boiko Borissov und Christdemokraten wieder stärkste Kraft |
Frankreich | 30. April und 7. Mai | Präsidentschaftswahl: Emmanuel Macron implodiert das politische Parteiensystem und wird Präsident der Republik |
Malta | 3. Juni | Parlamentswahl: Joseph Muscat gewinnt Parlamentsneuwahlen |
Vereinigtes Königreich | 8. Juni | Parlamentswahl: Theresa May verliert die absolute Mehrheit |
Frankreich | 11. und 18. Juni | Parlamentswahl: Rekordwahlenthaltung und Mehrheit für Macron |
Anstehend:
Frankreich | 24. September | Senatoren: Die Hälfte des Senats wird neu besetzt |
Deutschland | 24. September | Bundestagswahlen zur Neubesetzung des Bundestages. Angela Merkel und Martin Schulz konkurrierten um den Posten des Bundeskanzlers |
Österreich | 5. Oktober | Parlamentswahl: Neuwahl des Nationalrats (gleichbedeutend mit dem Bundestag) |
Tschechien | 20. Oktober | Parlamentswahl: Populismus gewinnt immer noch Boden in der Person von Andrej Babis, als die tschechischen Berlusconi |
Slovenien | Dezember | Präsidentschaftswahl |
Und für 2018:
Tschechische Republik | Januar 2018 | Präsidentschaftswahl |
Finnland | 28. Januar und 11. Februar 2018 | Präsidentschaftswahl |
Zypern | Februar 2018 | Präsidentschaftswahl |
Italien | vor Mai 2018 | Parlamentswahlen |
Luxemburg | Juni 2018 | Parlamentswahlen |
Nordzypern | Juli 2018 | regionale Parlamentswahlen |
Schweden | 9. September 2018 | Parlamentswahlen |
Irland | Oktober 2018 | Präsidentschaftswahl |
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