Seither beschweren sich litauische Investor*innen und einige ihrer europäischen Kolleg*innen, dass sie von chinesischen Unternehmen ignoriert und gar ihre Lieferketten unterbrochen werden. Auch deutsche Firmen sind davon betroffen. Grund für die Spannungen zwischen Litauen und China war eine von Taiwan errichtete diplomatische Vertretung in Litauens Hauptstadt Vilnius Ende November, die de-facto als Botschaft gilt. Eine Premiere in Europa, die ihre Konsequenzen mit sich zieht.
Unabhängigkeit gegenüber China
Litauen erkennt die Volksrepublik China seit 1949 offiziell als das rechtmäßige „China“ an. 1992, zwei Jahre nach der Unabhängigkeit Litauens, eröffnete Peking eine Botschaft in dem baltischen Land. Gleichzeitig intensivierten sich aber auch die Beziehungen zwischen Litauen und Taiwan. Taipeh und Vilnius sind beispielsweise seit 1998 Partnerstädte.
China hingegen beansprucht die Insel Taiwan für sich und droht damit, sie „notfalls mit Gewalt, wenn nötig“ zu annektieren. Auf dem chinesisch-nationalistischen Bloggingdienst Weibo, dem chinesischen Pendant zu Twitter, werden die Forderungen nach einer Landung chinesischer Truppen auf taiwanesischem Territorium immer lauter. So dringen chinesische Kampfflugzeuge regelmäßig in den taiwanesischen Luftraum ein, bis zu 56 Vorfälle pro Tag werden gemeldet, wie etwa am 4. Oktober des vergangenen Jahres. Die Spannungen befinden sich auf einem Höhepunkt, nicht zuletzt betitelt The Economist die Region als „die gefährlichste der Welt“.
Litauens Sanktionen gegen China
Litauen hatte bereits angekündigt, den 17+1 Gipfel, eine Kooperation zwischen China und den mittel- und osteuropäischen Staaten, zu verlassen. Diese wurde 2012 mit dem Ziel, den europäischen Zusammenhalt zu schwächen, von China initiiert. Kein 17+1, sondern ein 27+1, also ein Kooperationsbündnis mit allen europäischen Staaten sollte von beiden Seiten angestrebt werden. Nach diesem Rückzug ersetzte die litauische Regierung das 5G-Netz von Huawei durch das des schwedischen Konkurrenten Telia. Einige Monate später bewilligte das Parlament von Litauen einen Beschluss, in der man der chinesischen Regierung Menschenrechtsverletzungen, vor allem an der Uigurischen Minderheit in China, vorwarf.
Chinas Regierung betrachtet die Schritte Litauens als Angriff auf das Prinzip der Einheit Chinas, wogegen sich die litauischen und europäischen Behörden aber wehren. Der Außenminister Chinas „rief andere Länder dazu auf, ihre eigenen Interessen in den Vordergrund zu stellen, das internationale Recht zu verteidigen. Man solle sich nicht von einem großen Land manipulieren und sich in eine unnötige Konfrontation zu verwickeln lassen“.
Zusammenhalt unter Europäischen Verbündeten
Laut Bloomberg hätten die anderen europäischen Diplomat*innen ihren litauischen Kolleg*innen dabei geholfen, China zu verlassen. In Brüssel fanden derweil Gespräche zur Verteidigung des Mitgliedsstaates statt. Außerdem traf sich Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, mit dem Präsidenten von Litauen, Gitanas Nausėda.
Litauen muss verteidigt werden. So lautet die Devise der EU. Zuvor hatte das Europäische Parlament einen Beschluss verabschiedet, der die Intensivierung und Stärkung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen der 27 EU-Mitgliedstaaten mit Taiwan vorsieht. Die Insel sollte zu einem der „Schlüsselpartner“ der europäischen Beziehungen werden, mit der sie ihre Präsenz im Pazifik ausweiten können. Einzig und allein Litauen hatte den Mut, genau das zu tun. Nun muss sich Europa zusammentun und als Einheit agieren, um dem wachsenden Einfluss Chinas standzuhalten und zu ihrem Wort zu stehen.
Das Baltikum und sein Verhältnis zu China
Estland und Lettland werden genau wie ihr Nachbar Litauen von einer Mitte-Rechts-Koalition regiert. Das heutige China weckt im Baltikum dunkle Erinnerungen an die Sowjetunion. Verglichen mit anderen Staaten in Europa, wie zum Beispiel Deutschland, ist das Baltikum sowieso kein großer Wirtschaftspartner für China. Litauen exportiert fast achtmal mehr in die USA als nach China. Misstrauisch stehen die baltischen Staaten also dem autoritären Regime von China gegenüber und folgen dem von der USA initiierten Trend zur Normalisierung der Beziehungen mit Taiwan. Die schwierigen chinesisch-europäischen Beziehungen werden sich so schnell nicht beruhigen, die Lage ist weiterhin angespannt. Dennoch plädieren viele Politiker*innen für engere Beziehungen zu Taiwan auf Kosten von Peking.
Die freiheitsraubenden Gesetze in Hongkong, der Umgang mit der uigurischen Minderheit und die Spannungen im Chinesischen Meer, all das belastet die Beziehungen zwischen der EU und der China. Trotzdem bleibt China einer der wichtigsten Handelspartner der Europäischen Union.
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