Textilfabrik statt Grundschule

Kolumne „Europa im Blick“

, von  Nathalie Bockelt

Textilfabrik statt Grundschule
Auch in Rumänien müssen viele Kinder arbeiten, etwa in landwirtschaftlichen Betrieben. Foto: © International Labour Organisation / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0 Lizenz

Wenn das Schlagwort Kinderarbeit fällt, denken viele Menschen oft an heruntergewirtschaftete Schuhfabriken in Bangladesch oder kilometerlange Plantagen in Indien. Doch auch in Europa müssen zwischen fünf und 30 Prozent der minderjährigen Kinder arbeiten, um das Einkommen ihrer Familie zu sichern. Was tut die EU dagegen?

Späte Erkenntnis

Während Kinderarbeit heute gesellschaftlich abgelehnt wird, setzten viele europäische Länder früher auf die Arbeitskraft der Minderjährigen. Im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der Industrialisierung, war Kinderarbeit in Europa gang und gäbe: Kinder halfen unter anderem im Bergbau, in der Landwirtschaft und später in Fabriken, wo sie beispielsweise Spinnmaschinen bedienten. Erst im Laufe der Aufklärung setzte sich die Annahme durch, dass Kinder eine geschützte Zeit zum Lernen und Erwachsenwerden benötigen, und dass eine Erwerbstätigkeit in diesem Zeitraum die geistige und körperliche Entwicklung schädigt. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts verboten die meisten industrialisierten Länder schließlich die Kinderarbeit, die Einführung einer allgemeinen Schulpflicht dauerte jedoch an.

Europäische Kinderarbeit im 21. Jahrhundert

Im letzten Kinderarbeitsbericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus dem Jahr 2013 sind kaum Daten für Europa verfügbar. Experten schätzen jedoch, dass das Problem besonders in Osteuropa gravierend ist. Laut UN-Angaben arbeiten in Georgien rund 30 Prozent der Minderjährigen, etwa in kleinen Fabriken oder in der Landwirtschaft. Dort müssen sie mit gefährlichen Maschinen umgehen oder atmen schädigende Chemikalien und Pestizide ein. Als Hauptursache für das Ausmaß der Kinderarbeit in den osteuropäischen Ländern gilt die Armut vieler Bevölkerungsschichten. Doch auch in Westeuropa gibt es Kinderarbeit. In Italien arbeiten rund sechs Prozent der unter 16-Jährigen. Seit der Finanzkrise hat sich die Situation in Portugal ebenfalls wieder verschärft.

Wichtige Maßnahmen der EU

Die Europäische Union zeigte sich im Kampf für die Rechte von Kindern bislang aktiv. Im Jahr 2011 verabschiedete der Europäische Rat eine Richtlinie gegen Kinderpornografie sowie eine Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels. Auch die EU-Kommission hat mittlerweile eine Agenda für die Rechte der Kinder veröffentlicht. Um deren Ziele zu verwirklichen, arbeitet sie beispielsweise eng mit der ILO zusammen. Allerdings ziehen einige EU-Mitgliedsländer immer noch nicht mit. Deutschland hat die EU-Richtlinie gegen den Menschenhandel in Europa immer noch nicht umgesetzt, obwohl es dafür zwei Jahre Zeit hatte. Das Gesetz soll die Zwangsprostitution in Europa begrenzen, da jedes Jahr auch tausende Minderjährige darunter leiden. Hieran zeigt sich, dass die Kinderarbeit in Europa noch lange nicht Geschichte ist.

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