TikTok - Eine Cyberbedrohung?

, von  Ngono Essimi Ylona, übersetzt von Léa Glasmeyer

TikTok - Eine Cyberbedrohung?
Foto: pixabay / iXimus / Lizenz

Wenn von einem “populären, sozialen Netzwerk” die Rede ist, kommt einem schnell TikTok in den Sinn. Die chinesische App, für ihre kurzen und viralen Videos bekannt, ist inzwischen weltweit verbreitet. Die Europäische Union steht dieser App jedoch misstrauisch gegenüber – eine Position, die sie seit Ende 2022 immer wieder bekräftigt.

Hinter den Europäischen Befürchtungen

Seit September 2020 haben sich über 100 Millionen europäische Nutzer*innen auf TikTok angemeldet.

Seit einigen Jahren herrscht in Europa Skepsis gegenüber dieser, insbesondere unter Jugendlichen sehr beliebten App. Erste Zweifel wurden im Jahr 2020 laut, als das soziale Netzwerk einen enormen Aufschwung erlebte, bis im Juni 2022 dann schließlich die erste offizielle Warnung ertönte.

Das kooperative Verbraucherschutznetzwerk (CPC-Netzwerk), das mit der Europäischen Kommission zusammenarbeitet, alarmierte zunächst Institutionen auf EU-Ebene. Einer Beschwerde des Europäischen Büros der Verbraucherverbände zufolge, soll TikTok gegen die Allgemeine Datenschutzverordnung (DSGVO) verstoßen. Diese umfasst eine Reihe von Gesetzen, die vom Europäischen Parlament zum digitalen Schutz verabschiedet wurden. Werbung, missbräuchliche Vertragsklauseln und unangemessene Inhalte standen damals im Mittelpunkt einer Anklage wegen unlauteren Handels. Auch die ansonsten notwendige Einwilligung der Nutzer*innen wurde nicht respektiert.

Die EU befürchtete exzessive und illegale Nutzung von Daten, die unfreiwillig das Privatleben von Nutzer*innen zeigen würden. Eigentümer der App ist das chinesische Unternehmen ByteDance. Eine mögliche Speicherung oder Sammlung von persönlichen Daten könnte der chinesischen Regierung auch Zugang zu privaten Informationen verschaffen.

Denn parallel zum chinesischen Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten (PIPL) werden der Regierung sogenannte “Backdoors”, also private Zugänge, gewährt. Daten, die von privaten Unternehmen des Landes gesammelt werden, sind somit für den Staat zugänglich.

Alles übertrieben?

TikTok hat Zugang zu Kamera, Mikrofon, Wi-Fi und Kontakten der Konsument*innen. Allerdings ist das bei Social Media Apps nicht ungewöhnlich. Hervé Dabour, Spezialist für Cybersicherheit, bestätigt gegenüber FranceInfo, dass es keinen Beweis für Spionage darstelle, wenn die virale App über solche Informationen verfüge.

Manche sehen den Anschuldigungen gegenüber TikTok daher eher eine böswillige Absicht Europas, die zum Ziel hat, die Soft Power des kommunistischen Regimes Chinas einzudämmen. Solche Anschuldigungen können Hindernisse bei der App-Entwicklung zur Folge haben. Mehrere Plattformen, die sich der Analyse von Start-up-Unternehmen widmen, schätzen den Wert von TikTok auf rund 400 Milliarden US-Dollar. Anschuldigungen könnten auch die Absicht verfolgen, den Wert des Unternehmens zu senken.

Es gibt aber keine europäische App, die mit TikTok konkurriert. Andere erkennen deswegen echte Warnungen vor geopolitischen, diplomatischen und ethischen Risiken. Außerdem erschütterte vor kurzem eine echte Spionageaffäre die digitale und politische Welt, so die Kritiker*innen.

Journalist*innen aufgespürt, TikTok entlarvt

Im Oktober 2022 enthüllte Journalistin Emily Baker-White Beweise für die Infiltration persönlicher Daten durch TikTok. Die geographische Position einiger ihrer Kolleg*innen soll abgerufen worden sein. Bei den Betroffenen handelt es sich um Fachleute, die zum Umgang mit privaten Informationen durch die ByteDance-App arbeiteten. Viele von ihnen waren der App gegenüber misstrauisch eingestellt. Ihre IP-Adressen (Tools, die eine Geolokalisierung ermöglichen) wurden gesammelt und verfolgt.

Die chinesischen Mitarbeiter*innen, die für die Spionage verantwortlich waren, wurden nach Baker-Whites Enthüllung entlassen oder zum Rücktritt gezwungen. Das zeigt zweierlei: Zum einen gibt ByteDance die Spionage öffentlich zu, zum anderen aber verlagert das Unternehmen durch die Entlassung seiner Mitarbeitenden die Verantwortung auf Einzelpersonen, anstatt sie selbst zu tragen.

Der US-Regierung reagierte daraufhin mit einem Verbot. Nicht nur für einige Journalist*innen, sondern auch für Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses ist TikTok auf Arbeitsgeräten verboten. Das gilt seit Dezember 2022 auch für alle anderen Beamten des Landes.

Reaktionen aus Europa

Die Geständnisse von Ende 2022 betreffen auch die Daten europäischer Bürger*innen. Am 21. Februar 2023 erklärt das Managementteam von TikTok, dass eine “Verbesserung der Datensicherheit” beschlossen worden sei, um die 125 Millionen monatlichen Nutzer*innen innerhalb der EU besser zu schützen.

Die EU-Kommission blieb weiterhin misstrauisch gegenüber einem möglichen Datenzugriff durch die chinesische Regierung. Ende Februar 2023 traf sie im Verwaltungsrat eine starke Entscheidung. TikTok musste nun von beruflichen Geräten ausgewählter Vertreter*innen und Mitarbeiter*innen deinstalliert werden.

Am 28. Februar forderte Roberta Metsola, Präsidentin des Europäischen Palaments, ein Verbot von TikTok bis zum 20. März 2023. In mehreren Mitgliedsländern der Union ist ähnliches Misstrauen zu spüren, sodass auch auf Staatsebene immer mehr Vorkehrungen getroffen werden.

• In Frankreich kündigte der Regierungssprecher, Olivier Véran, die Einsetzung einer Untersuchungskommission an, die den Stand der Verarbeitung französischer Daten in Peking analysieren soll.

• Das dänische Zentrum für Cybersicherheit empfiehlt Mitgliedern und gewählten Vertreter*innen des nationalen Parlaments, TikTok zu löschen.

• Die belgische Regierung verbietet TikTok für ihre Beamten sowie für gewählte Vertreter*innen für eine Dauer von sechs Monaten. In Belgien haben wichtige europäische Institutionen sowie die NATO ihren Sitz. Die geplante Verbotsdauer von sechs Monaten könnte ein Kompromiss sein, um eine mögliche Verbesserung der Datenverarbeitung zu ermöglichen und wirksamen Datenschutz zu gewährleisten.

Beruhigungsmaßnahmen

Um Behörden zu beruhigen, kündigte TikTok an, die Daten in Zentren außerhalb des chinesischen Hoheitsgebiets zu speichern (Zentren in Irland und Norwegen).

Aber das Misstrauen gegenüber der App und ihre Verstrickungen in chinesische Politik führte dazu, dass verschiedene Länder und politische Instanzen selten gesehene Bestimmungen für das einführten. Ist es also denkbar, dass ein umfassenderes Verbot, z. B. auf Bevölkerungsebene, noch auf uns zukommt? Einige Bundesstaaten in den USA bringen bereits Gesetzesentwürfe ein, die auf eine solche Initiative abzielen.

Der europäische Markt stellt für das chinesische soziale Netzwerk mehrere hundert Millionen Nutzer*innen dar. Es sollte im gemeinsamen Interesse der Europäischen Union und ByteDance liegen, eine Datenverarbeitung ohne diplomatische Schlupflöcher zu finden.

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