Tschechien: Der lange Weg zur Unabhängigkeit

, von  Lorène Weber, übersetzt von Stéphanie-Fabienne Lacombe

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Tschechien: Der lange Weg zur Unabhängigkeit
Das Erbe Vaclav Havels, Unterzeichner der Charta 77 und erster Präsident der Tschechoslowakischen Föderativen Republik, ist in der öffentlichen Wahrnehmung des Landes sehr präsent. © David Sedlecký / Wikimedia Commons / CC 4.0

Am 28. Oktober feiert die Tschechische Republik ihren Nationalfeiertag. Das Land ist seit 2004 Mitglied der EU und erlebt eine in ihrer Geschichte bislang nicht gekannte politische Stabilität.

Der tschechische Nationalfeiertag erinnert an die Unabhängigkeit des Landes vom Kaisserreich Österreich-Ungarn im Jahr 1918. Die Tschechoslowakei wurde daraufhin auf dem Territorium Böhmen, Mähren und Schlesien gegründet. Es handelte sich um eine parlementarische demokratische Republik, die Tschechen und Slowaken vereinigte. Aber die Unabhängigkeit sollte nur zwanzig Jahre dauern.

1938 annektierte das Dritte Reich das Sudetengebiet, unter dem Vorwand, die germanischen Bevölkerungen von der tschechoslowakischen „Unterdrückung“ zu „befreien“. Polen und Ungarn nahmen andere Teile des Landes ein. 1939 gibt der tschechoslowakische Präsident den Bombardierungsdrohungen Hitlers nach und die deutsche Armee marschiert in Prag ein. Wenige Monate später wurden auch Böhmen und Mähren annektiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Land erneut für kurze Zeit unabhängig und Vertriebenenbewegungen fliehen in Richtung Deutschland. Nach dem Putsch von 1948 sind es die Sowjets, die das Land einnehmen und ihre politische Führung vierzig Jahre lang durchsetzten.

Eine kurze Liberalisierung wird durch den Prager Frühling erreicht, als der Erste Sekretär der kommunistischen Partei der Tschechoslowakei einen „Sozialismus menschlichen Gesichts“ einführen möchte. Die Stalinisten werden von Machtpositionen weggedrängt, Unternehmen übernehmen die Verantwortung für ihr Management, Presse- und Reisefreiheit werden wiedereingeführt. Aber im August des selben Jahres marschieren die Truppen des Warschauer Abkommens in Prag ein und zwingen Dubcek zum Rücktritt. Das Schicksal des Landes wird erneut von der Sowjetunion bestimmt.

Weitere zwanzig Jahre dauert es, bis die Tschechoslowakei erneut frei wird. Grundlage der Revolution ist die Charta 77, ein am 1. Januar 1977 veröffentlichtes Manifest, unterzeichnet von friedlichen Dissidenten und Verfechtern der Menschenrechte. Unter ihnen ist der Dramaturg, Philosoph und spätere Präsident der tschechoslowakischen Republik Vaclav Havel. Die Charta 77 erinnert die Regierung an ihre Engagements bezüglich der Abkommen von Helsinki und verurteilt die Menschenrechtsverletzungen im Land. 1979 werden einige der Unterzeichner zu Gefängnisstrafen verurteilt, was die Bewegung aber keinesfalls zum Erliegen bringt, denn Freiheitsverletzungen werden von den Aktivisten weiterhin geahndet und verurteilt. Während der „Samtene Revolution“ 1988 bis 1989 (so genannt, da kein Blut vergossen wurde) kommt es vermehrt zu Streiks und Demonstrationen. Der Erfolg der Revolution ist der Rücktritt der kommunistischen Partei und die Unabhängigkeit der Tschechoslowakei. Bei den freien Wahlen gewinnt Vaclav Havel und wird Präsident der 1989 ausgerufenen Tschechoslowakischen Föderativen Republik, die später zur Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik umbenannt wurde.

Die Einheit ist erneut von kurzer Dauer. Im Juli 1992 spaltet sich das Land aufgrund großer Unstimmigkeiten und kultureller Unterschiede in zwei unabhängige Staaten. Am 1. Januar 1993 wird die friedliche Auflösung der Tschechoslowakei ausgerufen. Vaclav Havel wird erster Staatspräsident der Tschechischen Republik, die sich nun mehr in die europäische Gemeinschaft integriert. 1993 tritt sie dem Europarat bei, 1999 der NATO, 2004 der EU und 2007 dem Schengenraum.

Die Tschechische Republik ist historisch eng mit der Slowakei verbunden, daher wird in Tschechien am 28. Oktober die Unabhängigkeit von 1918 gefeiert, in der Slowakei ist der Nationalfeiertag am 1. Januar und man gedenkt der Unabhängigkeit 1993.

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