TÜRKEI UND SÜDKAUKASUS: ZWISCHEN MEDIENPLURALISMUS UND REPRESSION

, von  Théo Boucart, Übersetzt von Katharina Walch

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TÜRKEI UND SÜDKAUKASUS: ZWISCHEN MEDIENPLURALISMUS UND REPRESSION
Georgien und Armenien sind auf den Plätzen 60 und 61, Aserbaidschan und die Türkei auf den Plätzen 168 und 154. Weltkarte: zur Verfügung gestellt von reporter-ohne-grenzen.de

Die Türkei und die Kaukasus-Republiken (Georgien, Armenien, Aserbaidschan) können nicht als einheitliche Region betrachtet werden, wenn es um die Pressefreiheit geht: Während die Türkei und Aserbaidschan von extremer Repression und weit verbreiteter Zensur geprägt sind, zeichnen sich Georgien und Armenien – die der EU näherstehen – durch einen fragilen Medienpluralismus aus.

Die politische Situation in der Türkei und in den Staaten des Südkaukasus weist sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf. Die vier Länder haben recht bedeutende Verbindungen zur Europäischen Union (EU): Georgien unterzeichnete 2016 ein vollständiges Assoziierungsabkommen mit Brüssel, Armenien hat ein weniger verbindliches Ad-hoc-Abkommen unterzeichnet, während Aserbaidschan im Rahmen der Östlichen Partnerschaft, der auch die ersten beiden Länder angehören, bereichsweise kooperiert. Die Türkei versucht seit mehr als 20 Jahren, der EU beizutreten – der Beitrittsprozess stagniert jedoch.

Dennoch ist die demokratische Situation in diesen vier Ländern keineswegs vergleichbar. Georgien scheint das Land mit den stärksten Institutionen zu sein, trotz zahlreicher Korruptionsprobleme und der Intervention Russlands, insbesondere in den Regionen Abchasien und Südossetien. Auch die neue Regierung in Armenien weckt trotz großer Herausforderungen viel Hoffnung. Die Türkei scheint unaufhaltsam in Richtung Autoritarismus und Hyperpräsidentialismus abzurutschen, zugeschnitten auf Recep Tayyip Erdoğan. Schließlich wird Aserbaidschan seit 1993 von der Familie Alijew in eisernem Griff gehalten (der Sohn Ilham trat 2003 die Nachfolge seines Vaters Heydar an), und das Regime wird regelmäßig als „autoritär“ oder sogar „diktatorisch“ bezeichnet. Wie die Demokratie ist auch die Pressefreiheit in der Region sehr unterschiedlich.

Eine ermutigende Situation für Georgien und Armenien

Grob gesagt kann die Region in zwei Bereiche unterteilt werden: Georgien und Armenien auf der einen Seite, die Türkei und Aserbaidschan auf der anderen. Die ersten beiden Länder befinden sich in einer recht ermutigenden Situation. Georgien und Armenien liegen in der Weltrangliste von Reporter ohne Grenzen für das Jahr 2020 auf Platz 60 bzw. 61. Mit der Unabhängigkeit Georgiens im Jahr 1991 entstand eine große Anzahl von freien Zeitungen und Fernsehsendern. Die Medien wurden sehr schnell zu einer hoch angesehenen Institution, wobei die Presse nach der Rosenrevolution 2003 noch vielfältiger wurde. Allerdings versuchte Präsident Michail Saakaschwili in den späten 2000er und frühen 2010er Jahren, die Medien zu kontrollieren. In den letzten Jahren ist es jedoch durch Reformen gelungen, den Mediensektor zu sanieren, so die Reporter ohne Grenzen (2013 lag das Land in ihrem Ranking noch auf Platz 100).

In Armenien hat die Medienvielfalt länger gebraucht, um sich durchzusetzen. Bis vor ein paar Jahren war Reporter ohne Grenzen der Meinung, dass die armenischen Medien nicht „frei“ seien. Im Jahr 2018 lag Armenien auf Platz 80. Die Samtene Revolution und der Machtantritt von Nikol Pachinjan im Mai 2018 wurden als Hoffnung für die Pressefreiheit gesehen. Als Journalist und ehemaliger Leiter der Zeitung Haykakan Jamanak war Pachinjan Mitglied mehrerer Oppositionsbewegungen, bevor er an die Macht kam. Reporter ohne Grenzen erklärte 2019, dass die neuen Medien während der Samtenen Revolution als „Resonanzboden“ gedient hätten. Es gibt eine sichtbare Verbesserung im Ranking 2020, auch wenn die starke Polarisierung der Medien (wie in Georgien) eine Herausforderung für die Regierung ist, die die Erwartungen der Armenier an eine freie Presse unbedingt bestätigen muss.

Türkei und Aserbaidschan – die schwarzen Löcher der Meinungsfreiheit

Auf der anderen Seite sind die Türkei und Aserbaidschan, die in der oben genannten Rangliste auf Platz 154 bzw. 168 stehen, wahrhaftige „schwarze Löcher“ für die Meinungsfreiheit. Trotz eines seit Jahren sehr schlechten Rankings ist die Türkei seit dem Putschversuch im Sommer 2016 Schauplatz nie dagewesener anti-journalistischer Aktionen. Die türkischen Medien werden kontrolliert und von regierungsnahen Holdings aufgekauft. Die historische Zeitung Cumhuriyet ist eines der Ziele Ankaras. Laut Amnesty International war die Türkei 2018 sogar das Land mit den meisten inhaftierten Journalist*innen der Welt (ein Drittel der weltweit inhaftierten Journalist*innen sei hier inhaftiert). Trotz der Freilassung von etwa 20 Journalist*innen seither bleibt die Situation katastrophal. Ein langer Trend des Niedergangs, so die Journalistin Aysegül Sert:

„Früher, wenn man in der Türkei zu einem türkischen Bürger sagte: ’Ich bin Journalist, ich bin hier, um Ihnen eine Stimme zu geben’, war er froh, dass man ihm zuhörte. Heute [...] haben wir Schwierigkeiten, unsere Quellen zu benennen, diese Angst ist definitiv vorhanden“.

Die Schikanierung von Journalisten kann sogar nach Westeuropa exportiert werden. Im Jahr 2018 versuchten Anhänger*innen des türkischen Präsidenten in Südfrankreich, ein großformatiges Cover des Magazins Le Point zu entfernen, das ein Foto von Erdoğan mit der Überschrift „Der Diktator“ zeigte. In einem Interview mit TV5 Monde gestand der französische Journalist Loup Bureau, der 2017 in der Türkei festgenommen wurde, Todesdrohungen auf Twitter erhalten zu haben, als sein Buch über seine Inhaftierung veröffentlicht wurde.

In Aserbaidschan war der Druck auf die Medien schon immer vorhanden, aber er hat sich seit 2013 verstärkt. Viele Printmedien haben diese anti-liberale Wende nicht überlebt, wie etwa die Zeitungen Zerkalo und Azadlig. 2015 wurde die einzige unabhängige Nachrichtenagentur des Landes, Turan, von den Behörden verfolgt. Das Internet ist dieser Zensur offensichtlich nicht entgangen, auch wenn unabhängige Blogger*innen versuchen, den Schleier über der Alijew-Diktatur zu lüften. Die nationalen Medien stehen unter dem Kommando Bakus und die letzten Wahlen Anfang 2020 haben dies deutlich gezeigt. Journalisten werden gejagt, auch im Ausland. 2017 verschwand Afgan Mukhtarli, ein aserbaidschanischer Journalist im Exil in Georgien, bevor er in seinem Land im Gefängnis wieder auftauchte.

Trotz allem gibt es Hoffnungsschimmer, wie den Freispruch der türkischen Journalistin Aslı Erdoğan im Februar 2020, die des Terrorismus angeklagt war, weil sie den Ausdruck „Druck auf die Presse“ verwendet hatte. Regelmäßig finden in der Türkei Demonstrationen zur Unterstützung der Pressefreiheit statt, auch wenn sich bisher nicht viel verändert hat.

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