Türkis-Grün in Wien - Aller Anfang ist schwer

, von  Jagoda Pokryszka

Türkis-Grün in Wien - Aller Anfang ist schwer
Die Angelobungszeremonie der neuen türkis-grünen Regierung. Foto: Flickr / Österreichisches Außenministerium / CC BY 2.0 - Lizenz

Es ist schon zweiundeinhalb Monate her, seit die neue österreichische Regierung angelobt worden ist. Das türkis-grüne Experiment wird in Europa mit viel Neugier beobachtet. Hat sich schon etwas verändert? Wie ist die Stimmung im Land? Ein Kommentar.

Der grüne Erfolg

Während die traditionellen, eingesessenen Parteien Probleme haben, ihre Wähler*innen zu erreichen und von ihren Konzepten zu überzeugen, sind die Grünen im Aufschwung. Ob in Deutschland oder Österreich – immer mehr Leute nehmen die Gefahren des Klimawandels wahr und wählen die Parteien, von denen am meisten Handlung und Durchsetzungskraft auf diesem Gebiet erwartet wird. Die Grünen sind keine Protestpartei mehr. Seit 2011 sind die Grünen Teil der Landesregierung in Baden-Württemberg, seit 2014 in Vorarlberg. Nun hat die grüne Bewegung ihren größten Erfolg gehabt: Sie regieren in Österreich mit. Im Zuge der Nationalratswahlen 2019 sind sie ins Parlament eingezogen und zusammen mit der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) unter Sebastian Kurz bilden sie eine Koalitionsregierung. Sie stellen vier Minister*innen und eine Staatssekretärin, die ÖVP elf Minister*innen und einen Staatssekretär.

Ehrgeiz auf dem Papier

In meinen Augen hat die türkis-grüne Regierung Chancen auf einen Erfolg, vorausgesetzt dass sie ihre Versprechen einhält und effektiv umsetzt. Was steht nun im Regierungsprogramm? Die konservativere ÖVP setzt auf den Ausbau des Wirtschaftsstandortes, Senkung der Einkommen- und Körperschaftssteuer und Kapitalertragsteuerbefreiung für ökologische bzw. ethische Investitionen. Die wirtschaftsfördernden Maßnahmen sind wichtig in einem Land, dessen eigene Wirtschaft stark mit der deutschen verbunden ist. Diese wiederum ringt mit den Auswirkungen internationaler Handelskonflikte und Unsicherheiten auf den Finanzmärkten. Der grüne Einfluss lässt sich in den ökologischen Maßnahmen wiedererkennen, zum Beispiel: Flugticketabgabe, die Öffi-Milliarde für den Regionalverkehr, Klimaneutralität in Österreich bis 2040. Die neue Steuerreform sollte auch klimafreundliches Verhalten fördern. Das sind durchaus ehrgeizige Maßnahmen, die sogar die Zielvorgaben der EU-Kommission in manchen Bereichen übertreffen.

Steigbügelhalter der ÖVP

So weit, so gut. In den ersten zwei Monaten wurden allerdings noch keine Details über große Reformen präsentiert. Das mag damit zusammenhängen, dass die Budgetverhandlungen bald beginnen ohne Finanzierungsrahmen in den Ministerien kaum planen kann. Dennoch hat es sich bisher gezeigt, dass die ÖVP den Ton angibt und die Grünen eher wie Steigbügelhalter für die Türkisen wirken. Wieder haben wir mit dem sog. Message-Control zu tun, d.h. alle Äußerungen und Medienkontakte werden vorher besprochen und koordiniert. Die strategischen Ministerien – Finanzen und Innenministerium – liegen in der Hand der ÖVP. Manche Kommentator*innen behaupten, dass das keine gute Idee ist, angesichts der Tatsache, dass die Affären der vorherigen türkis-blauen Regierung (Regierung der ÖVP und der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs) eben vom Innenministerium aufgeklärt gehören. Außerdem haben die Grünen türkisen Projekten wie Sicherheitshaft oder Ausweitung des Kopftuchverbots auf alle Schülerinnen unter 14 Jahren ohne größere Proteste zugestimmt. Selbstverständlich muss man als Regierungspartei Kompromisse eingehen. Nur dadurch kommt man zu pragmatischen Lösungen und schafft es, auch eigene Forderungen durchzusetzen. Nichtsdestotrotz haben sich viele grüne Wähler*innen mehr von ihrer Partei gewünscht. Nur eine rasche Umsetzung der Maßnahmen für Klima- und Umweltschutz wird sie zufrieden stellen.

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