Ukraine: Auf dem Weg in die Europäische Union

, von  Hannah Illing

Ukraine: Auf dem Weg in die Europäische Union
Trotz des Minsker Abkommens kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Separatisten in der Ukraine. Auch politisch bleibt die Lage im Land nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Jazenjuk instabil. © European Union 2016 - European Parliament / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0-Lizenz

Die ukrainische Stadt Kramatorsk ist im Westen Europas vor allem dafür bekannt, dass sie 2014 von prorussischen Separatisten belagert wurde. Die NGOs MitOst (Deutschland) und Insha Osvita (Ukraine) organisierten dort nun ein Bürgerforum zur Unterstützung der Zivilgesellschaft. Auch Mitglieder der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) waren dabei.

Zwei Monate, drei Wochen und zwei Tage dauerte der „Kampf um Kramatorsk“. Eigentlich keine lange Zeit, aber doch lang genug, um Spuren in der Stadt zu hinterlassen. In einer Straßenlaterne am Hauptplatz von Kramatorsk, gleich neben dem Kulturpalast, klafft ein faustdickgroßes Loch: Ein Granatensplitter hat sie durchbohrt. Auch in der Hausfassade daneben kann man Kugellöcher erkennen. Und auf einer Infotafel gegenüber dem Rathaus klebt ein Foto von Hitler, neben einem Zitat des Diktators von der Münchner Konferenz 1938. Es soll wohl eine Parallele ziehen zwischen der Annexion des Sudentenlandes und der Errichtung der sogenannten Volksrepublik Donezk.

Doch es wäre ungerecht, Kramatorsk allein auf Granatensplitter, Kugelhagel und Panzer zu reduzieren. Wer hier Ende April am Bürgerforum Ukrainelab teilnimmt bekommt schnell das Gefühl, dass die Zivilgesellschaft in der Stadt im Aufbruch ist. Mehr als 100 Teilnehmer aus verschiedenen europäischen Ländern, aber auch aus der Region sind nach Kramatorsk und in die angrenzende Industriestadt Slowjansk gekommen, um die Entwicklung vor Ort zu unterstützen. „Community development“ ist das Schlagwort, und zwar mithilfe von Bildung, Integration, Kultur, Stadtentwicklung, Social Entrepreneurship und Social Media. Viele junge Leute von ukrainischen NGOs nehmen teil. Sie alle eint ein Ziel: Sie wollen ihr Land weiter voranbringen und eine funktionierende Zivilgesellschaft aufbauen.

Die jungen Ukrainer sprechen oft fehlerloses Englisch, sind wissbegierig und interessiert an europäischer Kultur. Sie sind Europäer, doch die wenigsten von ihnen waren bisher in der Europäischen Union. Noch ist ein Visum teuer. Das könnte sich ändern, wenn die EU-Kommission Mitte diesen Jahres wirklich die Visafreiheit für Ukrainer einführen wird. Besonders, nachdem die Niederländer vor einem Monat das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine abgelehnt haben, wäre dies ein wichtiges Signal, um weiteren wirtschaftlichen, kulturellen und zivilgesellschaftlichen Austausch zwischen der EU und der Ukraine zu fördern.

Ein Austausch könnte übrigens auch bei Initiativen zur Integration von Migranten sinnvoll sein. Die Ukraine steht hier vor ähnlichen Herausforderungen wie die Europäische Union. Momentan sind dort laut UN 1,6 Millionen Binnenvertriebene registriert, die ihre Heimat in den inzwischen von den Separatisten kontrollierten Gebieten verlassen mussten.

Auf dem Forum in Kramatorsk war auch ihre Situation ein Thema. Wie in der EU ist auch in der Ukraine die Wohnungs - und Arbeitssuche für viele Vertriebene bzw. Flüchtlinge ein Problem. Auch die Integration, insbesondere in kleineren Dorfgemeinschaften, klappt nicht immer reibungslos - und das, obwohl es in der Ukraine keine Sprachbarriere zwischen den Geflüchteten und den Einheimischen gibt. Die Vertriebenen berichteten, dass sie sich vor allem eines wünschten: Sicherheit und Weiterentwicklung. Kramatorsk ist für sie zum Zufluchtsort, aber auch zum Symbol für Aufbruch geworden.

Ihr Kommentar
  • Am 7. Mai 2016 um 11:41, von  duodecim stellae Als Antwort Ukraine: Auf dem Weg in die Europäische Union

    Es ist aber ein sehr, sehr, seeeeeehhhhr weiter Weg. Vor allem müssen wir darauf achten, dass wenn er zurückgelegt ist noch eine Europäische Union existiert! Wir sind nicht mal innerhalb der Eurozone mit Griechenland solidarisch, aber machen in der Ukraine einen auf Weltretter. Mit Realität hat das alles wenig zu tun. In der aktuellen Situation bindet man sich keine Ukraine ans Bein (viermal so groß wie Griechenland aber genauso insolvent, politisches Nationalismusrisiko wie in Ungarn/Polen und außerdem tobt ein Krieg). Selbstverständlich muss man die Ukraine finanziell großzügig und beim Aufbau von Strukturen unterstützen, aber alles im Rahmen guter Nachbarschaftspolitik ohne dabei von Mitgliedschaft zu schwadronieren, weil das nur Hoffnungen bei den Ukrainern weckt, die am Ende nur enttäuscht werden.

  • Am 7. Mai 2016 um 13:13, von  jenzi Als Antwort Ukraine: Auf dem Weg in die Europäische Union

    Muss man die Ukraine wirklich finanziell unterstützen ? Wäre es nicht besser, es gäbe dort die gleiche Zäzur wie in Deutschland 1945, denn erst 1945 wurde der latent im Volksgeist bis dahin vorhandene Nationalismus und auch Faschismus (zumindest für 70 Jahre bis zur afd) ausgerottet.

    Der alte Geist in der Ukraine, den man mit dem Majdan ausrotten wollte, der besteht nach wie vor.

  • Am 7. Mai 2016 um 23:43, von  Alex Als Antwort Ukraine: Auf dem Weg in die Europäische Union

    „Die ukrainische Stadt Kramatorsk ist im Westen Europas vor allem dafür bekannt, dass sie 2014 von prorussischen Separatisten belagert wurde.“ Das stimmt meiner Erinnerung nach nicht. Die Stadt war ein Zentrum der Separatisten und wurde von der ukrainischen Armee belagert. Gewiss möchte ein Teil der Bevölkerung schnellstens eine Annäherung an die EU, ein anderer Teil möchte dies aber auf keinen Fall. Das ist ja gerade das Problem mit der Ukraine.

  • Am 8. Mai 2016 um 02:25, von  duodecim stellae Als Antwort Ukraine: Auf dem Weg in die Europäische Union

    Jenzi, sorry nicht persönlich nehmen, aber ich finde ihren Kommentar ziemlich wirr und ich verstehe ihn auch nicht. Ist etwas an mir vorüber gegangen, oder gab es die letzten 10 Jahre irgendwelche Konzentrationslager in der Ukraine in denen religiöse Minderheiten oder ethnische Russen Massenhaft in Tötungsfabriken vernichtet wurden? Oder hat die Ukraine im letzten Jahrzehnt diverse Angriffskriege gegen seine Nachbarn begonnen: Russland, Moldawien, Polen, Slowakei etc.? Oder gar einen Dritten Weltkrieg begonnen? Wovon reden sie eigentlich?

    Und soweit ich weiß hat die BRD nach dem Krieg einen Arsch voll finanzieller Hilfe durch ehemalige Feinde bekommen. Auch Griechenland hat der BRD großzügig Schulden erlassen. Aber was ist schon der Holocaust und der zweite Weltkrieg im Vergleich zu dem Verbrechen seinen Staatshaushalt schlecht geführt zu haben... sorry ich schweife ab.

    Natürlich gibt es in der Ukraine Neonazis und natürlich hat der ukrainische Nationalismus davor gescheut die Verbrechen ukrainischer Nazis während des zweiten Weltkriegs bis heute aufzuarbeiten. Aber abgesehen von der BRD hat kein Staat die Verbrechen im Namen der eigenen Nation gründlich aufgearbeitet, auch nicht die DDR. Das hat der Nationalismus so an sich, die dümmste Ideologie, die je erfunden wurde. Er beschäftigt sich nicht mit den Milliarden an Menschenleben die er vernichtet hat, denn die Nation ist per Definition immer gut und kann deshalb nicht zu etwas schlechtem führen. Außerdem rechtsradikale gibt es auch in Frankreich, Deutschland und Ko, werden alle gesponsert von Putin, der sich in der Ukraine als Antifaschist generiert. „Antifa-Putin“ sponsert Naziparteien in der EU?

    Jedenfalls kann sich die Europäische Union nicht leisten die Ukraine als destabilisierten Unruheherd vor der eigenen Haustür in das totale Chaos abgleiten zu lassen, weil Amerikaner und Russen wieder Kalter Krieg spielen wollen. Es ist noch nicht mal eine Frage der Moral, sondern der knallharten Geopolitik und eigenen europäischen Interessen. Instabilität in unmittelbarer Nähe ist gefährlich.

  • Am 8. Mai 2016 um 21:09, von  Marcel Wollscheid Als Antwort Ukraine: Auf dem Weg in die Europäische Union

    Lieber Alex, zum Ablauf der Ereignisse: Kramatorsk wurde 2014 von Separatisten eingenommen, woraufhin die ukrainische Regierung eine Gegenoffensive startete und die Stadt zurückeroberte. Sie war daraufhin ein Hauptquartier der ukrainischen Streitkräfte in der Ostukraine und wurde 2015 mutmaßlich vom Separatisten-Gebiet aus mit Raketen beschossen, siehe dazu diese Berichte: http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-tote-bei-raketenangriff-auf-kramatorsk-a-1017721.html / http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-kaempfe-mit-prorussischen-separatisten-in-kramatorsk-a-967437.html Beste Grüße, Marcel Wollscheid

  • Am 8. Mai 2016 um 22:36, von  Alex Als Antwort Ukraine: Auf dem Weg in die Europäische Union

    Lieber Marcel Wollscheid, besten Dank für die Klarstellung. Meiner Erinnerung nach zogen sich die Kämpfer um Girkin 2014 aus Kramatorsk und Slawiansk nach Donezk zurück. Kramatorsk ist wohl heute das Verwaltungszentrum der Oblast Donezk, da Donezk selbst ja von den Separatisten gehalten wird. Ich selbst kenne die ländliche Südukraine (Oblast Cherson) recht gut aus eigener Anschauung. Mein letzter Besuch datiert von 2013. Damals war das Land arm, aber die Bevölkerung kam irgendwie durch. Wie sieht es heute aus? Die Landbevölkerung schafft es immer noch, zu überleben aber das Leben ist deutlich härter geworden. Ich hätte 2013 nicht erwartet, wie negativ sich das Land entwickeln würde. Alles Gute, Alex

  • Am 9. Mai 2016 um 16:09, von  Jamilbay Zeynalzade Als Antwort Ukraine: Auf dem Weg in die Europäische Union

    My name is Jamilbay Zeynalzade,student of Azerbaijan State Oil and Industry University,at the same time as a young worker, advocacy officer of Aran Humanitarian Regional Development Organization(NGO)in Central Area of Azerbaijan.The AranHRDO details is:e-mail;aranrasim chez gmail.com.phone:+994 22336 3300,

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