Unsere „Verantwortung zum Schutz der Natur“

, von  Juuso Järviniemi, übersetzt von John Grosser

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Unsere „Verantwortung zum Schutz der Natur“

Die Waldbrände dieses Sommers in den Amazonas-Regenwäldern und in Sibirien haben international für einen Aufschrei in den Medien gesorgt, und das zu Recht. Obwohl die Brände innerhalb der Grenzen Russlands, Brasiliens und einer Handvoll anderer Länder aufgetreten sind, atmen wir alle den gleichen Sauerstoff ein, und wir alle leiden, wenn die Wälder der Welt weniger CO2 aufnehmen.

Wenn also Flammen die „Lungen der Erde“ verschlingen, betrifft das uns alle.. Das Problem in Brasilien dieses Jahr ist der leichtsinnig und gleichgültig wirkende Präsident Jair Bolsonaro. Im August lehnte er sogar internationale Hilfe für das Löschen der Brände ab. Es findet eine skrupellose Zerstörung statt, aber die Außenwelt kann nur zusehen. Muss das so sein?

Wenn nicht Wälder, sondern Menschen zerstört werden, ist die Antwort bereits nein. Das Konzept der „Schutzverantwortung,“ oder „Responsibility to Protect“ (auch bekannt als R2P), das im Sprachgebrauch der Vereinten Nationen verwendet wird, bildet eine offensichtliche Parallele zum Streit um die Brände im Amazonasgebiet. Jedes Land hat die Verantwortung, seine Bevölkerung vor Schrecken wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen; wenn ein Land scheitert, ist es an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft eingreift.

Ein Konzept für das 21. Jahrhundert

Das R2P-Prinzip - auf dem World Summit 2005 von fast allen Staaten anerkannt - wurde als vielleicht die monumentalste Änderung des jahrhundertealten Systems bezeichnet, in dem Staaten (theoretisch) absolute Souveränität innerhalb ihrer Grenzen genießen. Aus dieser Idee eine Verantwortung zum Schutz der Natur zu ziehen, wäre eine weitere Revolution - ganz im Geiste des 21. Jahrhunderts.

Staaten, die angesichts eines Umweltproblems überfordert sind und dennoch unerschütterlich an ihrer „Souveränität“ festhalten, machen neue Vorstellungen davon notwendig, was Souveränität bedeutet. Darüber hinaus erweckt die Klimakrise die längst vergessene Vorstellung, dass der Mensch von der Natur abhängig ist und eventuell sogar eins mit ihr ist. Im 21. Jahrhundert ist es wieder akzeptabel zu glauben, dass ein Verbrechen gegen die Natur auch ein Verbrechen gegen die Menschheit ist.

Verhältnismäßiges Eingreifen statt aufgezwungener Interventionen

Die Hauptkritik am R2P-Prinzip, welches sich aus dem Konzept der „humanitären Intervention“ entwickelt hat, war, dass es einen weiteren Vorwand für starke, insbesondere westliche Länder bietet, sich in die Angelegenheiten schwächerer, nicht-westlicher Länder einzumischen. Der damalige Präsident der Internationalen Krisengruppe, Gareth Evans, warnte 2009 davor, das R2P-Prinzip mit Umweltbelangen zu vermischen und so die ursprüngliche Idee auszudehnen. Da die internationale Unterstützung für R2P schwächelt, würde der Versuch, die Idee zu weit zu treiben, unsere Fähigkeit gefährden, gegen Völkermord und andere Verletzungen vorzugehen, die in den ursprünglichen Anwendungsbereich von R2P fallen, sagte er.

Die Sorge um eine Überdehnung des Prinzips ist berechtigt. Die „Schutzverantwortung“ sollte sich mit Gewissensfragen und unseren tiefsten Werten befassen und nicht als politisches Instrument dienen. Vor allem wenn die Aussicht auf eine direkte Intervention besteht, sollte man vorsichtig sein. Wir sollten Bolsonaro dafür danken, dass er uns ein Beispiel für einen Fall gegeben hat, der über legitime politische Meinungsverschiedenheiten hinausgeht. Es ist schwierig, über irgendetwas einen starken Konsens auf der Weltbühne zu finden, aber „wenn es massive Waldbrände gibt, sollten wir sie aufhalten“, könnte gerade ausreichen.

Es sind jedoch nicht alle Fälle von Umweltzerstörung so einfach zu beurteilen. Abhilfe schaffen könnte die Idee, dass es bei der kollektiven Verantwortung der internationalen Gemeinschaft für die Umwelt nicht nur um gewaltsame Interventionen gehen muss, sondern dass diese Verantwortung auch nuanciertere Formen annehmen kann. In einem Paper von 2009 über - von R2P inspirierte -neue Ideen zum Umweltschutz, beschreiben Lloyd Axworthy und Allan Rock verschiedene Schritte, einschließlich technischer Hilfe und Sanktionen, die die internationale Gemeinschaft ergreifen kann, bevor sie durch direkte Rettungsaktionen interveniert. [1]

Was wäre zum Beispiel im Falle einer Deponierung von Kraftwerksabfällen in einem See, wie beim giftigen russischen „Instagram-See“, der diesen Sommer in den Nachrichten war? In diesem Fall müsste zumindest eine geeignete Abfallverarbeitungsanlage eingerichtet werden. Man könnte sich bei den Amazonas-Bränden zwar vorstellen, dass andere Länder Feuerwehrleute nach Brasilien schicken, wenn die Brasilianer ihre Feuer nicht selbst löschen. Im Kraftwerksfall aber könnten internationale Helfer kaum nach Russland einmarschieren und das Kraftwerk zwangsweise schließen, bis der See hinreichend geschützt wurde. Internationale Verantwortung könnte in diesem Fall jedoch bedeuten, beim Bau einer Abfallentsorgungseinrichtung Rat und Hilfe zu leisten.

Moderne Lösungen für moderne Probleme

Internationale Normen zeichnen sich meist nur langsam ab, während die Umweltkrise immer schneller eskaliert. Damit ein Prinzip der grenzüberschreitenden Verantwortung entstehen kann, bevor es zu spät ist, sollten Befürworter*innen dieser Idee die Erfahrungen dieses Sommers als Beispiel nutzen.

Das Aufkommen eines neuen internationalen Prinzips könnte dazu beitragen, CO2-absorbierende Wälder, Trinkwasser und Ackerland zu retten. Während der Welt die Ressourcen ausgehen, sind das die Dinge, um die wir uns alle sorgen sollten. Gemeinsam.

Anmerkungen

[1Axworthy, L. & Rock, A. (2009) ‘R2P: A New and Unfinished Agenda’, Global Responsibility to Protect Vol. 1(1), 54–69.

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