Die Strategie der Opposition zahlt sich aus...
In einem früheren Artikel habe ich bereits auf die Strategien der oppositionellen Parteien, ihre Kräfte auf einen gemeinsamen Kandidaten gegen die Regierungspartei Fidesz zu bündeln, Bezug genommen. Es gab nicht in allen Städten eine Koalition und es waren auch nicht immer dieselben Parteien, die sich zusammengeschlossen haben. In der Hauptstadt Budapest traten fünf Parteien, von Grünen über Sozial-Liberale bis zu der Linken, gemeinsam auf. Durch die Unterstützung eines unabhängigen Kandidaten konnten sie von einem geringen Anstieg der Wahlbeteiligung profitieren und gewannen die Wahlen in 14 Bezirken von Budapest. Nur sieben Bezirke gingen an Fidesz. Jobbik, die etwas moderater gewordene Partei der extremen Rechten, welche die große Koalition verweigert hatte, verlor ihren einzigen Sitz im Stadtrat. Darüber hinaus schaffte es der Kandidat der Gegenkoalition, Gergely Karácsony, den scheidenden Bürgermeister der Fidesz Partei, István Tarlós, mit einer Mehrheit von über 50% abzulösen. Dies ist ein wahrhaftiger Donnerschlag für die ungarische Politik. Seit zehn Jahren ist Premierminister Orbán daran gewöhnt Siegesreden zu halten. Seine Partei hat in der Tat alle Wahlen seit seinem Amtsantritt 2010 gewonnen, insbesondere auch die letzten Europawahlen. Fidesz hat in Budapest also eine Niederlage hinnehmen müssen und das nach einem Wahlkampf, der von Schlammschlachten zwischen beiden Lagern geprägt war. Ein Video war zum Beispiel publiziert worden, welches den Bürgermeister von Györ bei einer Orgie auf einer Yacht zeigte.
…aber Fidesz bleibt siegreich
Die große Koalition hatte gehofft zwei oder drei Städte zu gewinnen, am Ende sind es zehn der 23 größten Städte, welche aus dem Einflussbereich Orbáns fallen. Dabei ist zu bemerkten, dass es in der Stadt Hódmezővásárhely, in der diese Form der Koalitionsbildung gegen die Regierungspartei zuerst entstanden ist, keinen Wechsel gab, da erneut ein unabhängiger Bürgermeister gewählt wurde. Es zeigt sich, dass die Ernüchterung über die Machthaber*innen anfängt, sich auch auf dem Land bemerkbar zu machen. Dies kònnte zu einer Veränderung der ländlichen Regionen führen, welche derzeit noch sehr zu Orbán neigen.
Denn trotz allem bleibt Fidesz sehr gut verankert in den ländlichen Gegenden. Diese platziert sich als Botschafterin einer durch externe Bedrohungen „belagerten Christenheit“ und als „scharfe Kritikerin eines liberalen Europas“, welches den Lebensstandard der ungarischen Mittelklasse bedroht. Ein solcher Diskurs gefällt traditionell der Bevölkerung außerhalb der großen Städte, welche sich zu einem sozialen Konservatismus hingezogen fühlt. Fidesz hält auf diese Weise problemlos die Führung in 19 Kreisen.
Zahlreiche Meinungsumfragen weisen darauf hin, dass die Wähler*innen ihren lokalen Vertreter*innen für gewöhnlich mehr vertrauen. In Budapest, im Herzen der ungarischen Hauptstadt, hat die städtische Opposition besonders bei den Verfechter*innen einer Philosophie lokaler und bürgerlicher Souveränität, welche an den linken Girondismus eines Michel Rocard und Michel Onfray erinnert, der dazu aufruft „die Provinzen zu dekolonialisieren“.
Die Übernahme der Donauperle durch die Opposition mag wie ein günstiges Vorzeichen für die kommenden Parlamentswahlen 2022 erscheinen. Dieses Ergebnis sollte allerdings nicht überinterpretiert werden, schließlich hat Fidesz alle Wahlen innerhalb von zehn Jahren gewonnen. Budapest befindet sich von nun an trotzdem auf der Liste von Hauptstädten, die sich in den Händen einer Opposition gegen Regierungen befinden, denen das Abdriften ins Autoritäre nachgesagt wird. Dies ist der Fall in Warschau, geführt von einer Mitte-Rechts Opposition, oder in Istanbul, der wirtschaftlichen Lunge der Türkei, wo der Wahlsieg des säkularen Oppositionellen, Ekrem İmamoğlu, wie als Warnschuss an den Präsidenten Erdoğan zu verstehen war. Dieser sagte in seiner Zeit als Bürgermeister voraus „Wer Istanbul kontrolliert, kontrolliert auch die Türkei“. Ein Satz, der sich in den Köpfen aller seiner Unterstützer*innen festgesetzt haben dürfte, auch bei seinen Amtskollegen in Polen und Ungarn…
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