Aserbaidschan, ist ein kleiner Staat in Vorderasien mit etwa 10 Millionen Einwohner*innen. Der ehemalige Teil der Sowjetunion wurde nach der kommunistischen Ära zunächst von Gaydar Alijew und seit 2003 von seinem Sohn Ilham Alijew autoritär regiert. Seitdem ist die aserbaidschanische Politik von Korruption und Menschenrechtsverletzungen gekennzeichnet. Schlagzeilen machte das Land kürzlich ausgerechnet aufgrund einer deutschen CDU-Politikerin: Karin Strenz wird vom Europarat ein Interessenskonflikt vorgeworfen. Aserbaidschan gegenüber hat sie sich dort ungewöhnlich unkritisch geäußert. Den Anschuldigungen zufolge hat die Bundestagsabgeordnete dafür Geld aus dem autoritären Staat erhalten. Vorerst steht Aserbaidschan jedoch vor innenpolitischen Herausforderungen: Präsident Alijew hat für den 9. Februar vorgezogene Parlamentswahlen ausgerufen, die von großen Teilen der Opposition boykottiert werden. Wir möchten oppositionelle Stimmen zu Wort kommen lassen. Ein zweites Interview mit dem aserbaidschanischen Journalisten Anar Orujov erscheint morgen bei uns.
Herr Abdullayev, können Sie uns kurz die politischen Umstände in Aserbaidschan und den Hintergrund der bevorstehenden Parlamentswahlen erklären?
Aserbaidschan ist eine Autokratie. Präsident Ilham Alijew kontrolliert alle wichtigen Geschehnisse in unserem Land und veranstaltet diese Wahlen nur als politisches Theater. In einer inszenierten, von großen Teilen der Opposition boykottierten Wahl werden sich regimetreue Kandidat*innen durchsetzen und ihm helfen, seine seit 2003 bestehende Herrschaft fortzusetzen. Es gibt keine demokratischen Rechte in Aserbaidschan und Alijew verhindert effektiv, dass eine wirkungsvolle Opposition entsteht, die ihm gefährlich werden könnte.
Wie schafft es Alijew, politische Gegner kleinzuhalten?
Er gibt ihnen keine Plattform, um die Bevölkerung zu erreichen. Die aserbaidschanische Medienlandschaft wird von ihm weitgehend kontrolliert und kritische Medien werden eingeschüchtert und benachteiligt: Wir sind auf Platz 166 der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen. Journalist*innen, aber auch Regimekritiker*innen allgemein sitzen in aserbaidschanischen Gefängnissen. Außerdem gibt es keine Demonstrationsfreiheit, es gibt nur einen abgelegenen Platz außerhalb der Innenstadt von Baku, auf dem demonstriert werden kann.
Welche Art von Verfolgung haben Sie selbst erlebt?
Ich wurde 2003, nachdem ich als Wahlbeobachter auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen habe, verhaftet und gefoltert. Im Zuge einer großen Verhaftungswelle gegen Oppositionelle bekam ich dann 2014 Probleme wegen angeblichen Mehrwertsteuerbetrugs bei meiner NGO. Unsere finanziellen Mittel wurden eingefroren und ich sollte angeklagt werden. Solche fingierten Vorwürfe wurden auch gegen viele andere Regimekritiker*innen vorgebracht, oft wegen angeblicher Steuerhinterziehung, aber auch wegen Drogenbesitz oder ähnlichem. Ich war letztendlich gezwungen, mein Land zu verlassen, und versuche nun, mich aus dem Exil weiter für ein demokratisches Aserbaidschan einzusetzen.
Aserbaidschan ist ein sehr öl- und gasreiches Land. Welche Rolle spielen diese Rohstoffe für Alijews Machterhalt?
Die Kontrolle über die Öl- und Gasreserven ist absolut zentral für Alijew und den Rest unserer politischen Elite. Mit dem Geld aus dem staatlichen Ölfonds lässt sich das korrupte System Aserbaidschans am Leben halten. Zudem ermöglicht der Ressourcenreichtum Alijew, auch international Macht auszuüben. Die EU importiert inzwischen große Mengen Öl und Gas aus Aserbaidschan und begibt sich in einen schwierigen Spagat zwischen der Forderung nach Demokratie und Menschenrechten und der Abhängigkeit von Rohstofflieferungen.
In Ländern wie z.B. auch Saudi-Arabien oder Kuwait, in denen die Bevölkerung durch den Rohstoffreichtum kaum Steuern zahlen muss und der Staat als großzügiger Verteiler auftritt, halten sich autokratische System scheinbar besonders gut. Würden Sie sich manchmal wünschen, dass Aserbaidschan keinen solchen Öl- und Gasreichtum hätte?
So weit würde ich nicht gehen. Ich würde mir stattdessen wünschen, dass unsere reichen Ressourcen unter demokratischer Kontrolle stehen und der gesamten Bevölkerung zugutekommen würden.
Gibt es in Aserbaidschan ein Problembewusstsein dafür, dass angesichts der Klimakrise ein einseitiger wirtschaftlicher Fokus auf fossile Rohstoffe nicht zukunftsfähig ist?
Unserer Regierung ist das vollkommen egal. Dabei zeigt insbesondere die auch durch die Ölförderung und fehlende Regulierung verursachte Umweltverschmutzung jetzt schon besorgniserregende Ausmaße. Die Luftqualität ist ebenfalls schlecht, weil bei uns besonders verschmutzendes Benzin verwendet wird. Außerdem wurde in der Vergangenheit sehr viel Wald abgeholzt. Aber unter Alijew sehe ich hier leider keine Hoffnung auf Besserung.
Wie engagieren Sie sich in Deutschland, um für ein demokratisches Aserbaidschan einzutreten?
Gemeinsam mit mehr als 100 in Deutschland und anderen europäischen Ländern lebenden politischen Asylbewerber*innen habe ich im Juni 2018 „DAS - Demokratik Azerbaycani Sec!“ (Wähle das demokratische Aserbaidschan!) gegründet und will damit die Lobby der demokratischen aserbaidschanischen Opposition in Deutschland sein. Hauptziel der Organisation ist es, die demokratischen Prozesse in Aserbaidschan zu unterstützen und die Öffentlichkeit für Menschenrechtsverletzungen zu sensibilisieren. Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgen wir alle im Land stattfindenden Prozesse, führen politische Kundgebungen zu Menschenrechtsverletzungen durch, veröffentlichen Erklärungen und geben Informationen an internationale Organisationen weiter. Wir wollen vor allem mehr Aufmerksamkeit für die Menschenrechtsverletzungen in unserem Land schaffen und fordern deutsche und europäische Politiker*innen auf, mehr Druck auf die aserbaidschanische Regierung zur Einhaltung der Menschenrechte auszuüben.
Wie reagiert das aserbaidschanische Regierung auf Ihr Engagement?
Unser Engagement macht uns zur Zielscheibe des aserbaidschanischen Regimes und von vielen unserer Mitglieder wurden die Familienangehörigen in Aserbaidschan unter Druck gesetzt und zum Teil sogar festgenommen. Wir wollen uns davon aber nicht einschüchtern lassen und uns weiter für die Demokratie in Aserbaidschan einsetzen. Bisher werden wir leider noch nicht sehr viel wahrgenommen, wollen aber in Zukunft verstärkt demonstrieren und Social Media Kampagnen starten. Unser Land hat das Potenzial zu einer demokratischen Wende – wir hatten schließlich sogar schon 1918 - und damit vor Deutschland - das Frauenwahlrecht eingeführt. Aber wir brauchen mehr internationalen Druck und müssen uns besser organisieren. Dafür setze ich mich ein.
Kommentare verfolgen: |