Wahlen in Schweden führen zum Patt

, von  Sakke Teerikoski, übersetzt von Jagoda Pokryszka

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Wahlen in Schweden führen zum Patt
Flickr / PES Communications / CC BY-NC-SA 2.0 Der aktuelle Ministerpräsident Stefan Löfvén

Die letzten Parlamentswahlen in Schweden endeten mit einem sehr engen Ergebnis, bei dem beide traditionellen Blöcke fast dieselbe Anzahl an Sitzen erhielten. Die rechte Partei Schwedendemokraten wiederum ist weiter gewachsen und hat ihr bisher bestes Wahlergebnis von 17.7% erreicht. Nach den Wahlen, in denen alle etwas gewonnen und verloren haben, folgt nun eine schwierige Zeit der Regierungsbildung.

Die schwedischen Wahlen waren üblicherweise ein Wahlkampf zwischen zwei wetteifernden Blöcken: dem rot-grünen aus Sozialdemokraten, der Linken Partei und den Grünen auf der einen Seite und dem liberal-konservativen mit den Moderaten, Christlichen Demokraten, Liberalen und der Zentrumspartei auf der anderen Seite. Bis die Schwedendemokraten 2010 auf die politische Bühne getreten sind, wurden die Wahlen immer von einem der Blöcke gewonnen. Dieses Rennen um die Regierung war auch als Blocksystem bekannt. Am 9.9 hat sich das geändert. Die traditionellen Parteien haben folgende Ergebnisse erreicht:

• Sozialdemokraten 28,4% (-0,2%) • Linkspartei 7,9% (+2,2%) • Grüne 4,3% (-2,4%) • Moderate 19,8% (-3,5%) • Zentrumspartei 8,6% (+2,5%) • Liberale 5,5% (+0,1%) • Christliche Demokraten 6,4% (+1,8%)

Die Rot-Grünen haben hiermit 40,6% der Stimmen bekommen, die Liberal-Konservativen 40,3%, was den Unterschied eines Sitzes im Parlament ausmacht. Beide Blöcke betrachten sich selbst als Sieger und sind bereit, die Regierung zu bilden. Und das obwohl beide viele Sitze an die Schwedendemokraten mit ihren 17,7% abgeben mussten und über keine Mehrheit im Parlament verfügen.

Die Situation wurde vom Ministerpräsidenten Stefan Löfvén weiter aufgeheizt, der nicht noch eine Minderheitsregierung bilden möchte. In seiner Rede am Abend nach den Wahlen kündigte er an, eine Mehrheitsregierung bilden zu wollen und bezeichnete das Blocksystem als Sündenbock des politischen Patts. Er rief dazu auf, die Wahlnacht als „Begräbnis der Blockpolitik“ zu betrachten. Löfvén ist bekannt für seine Abneigung gegen das Blocksystem. Er bevorzugt die Zusammenarbeit seiner eigenen Partei (Sozialdemokratische Arbeiterpartei Schwedens) mit den Liberalen, den Grünen und der Zentrumspartei. Der Ball liegt nun also bei dem Vorsitzenden der Liberalen Jan Björklund und der Vorsitzenden der Zentrumspartei Annie Lööf, die sich auch nach diesem Wahlergebnis für die traditionellen Blöcke ausgesprochen haben.

Von Anfang an hat man schlechte Ergebnisse für die regierenden Parteien, Sozialdemokraten und Grüne, erwartet. Die schlimmsten Prognosen haben den Sozialdemokraten 23% zugesprochen, obwohl sie mal eine Partei mit mehr als 30% der Stimmen waren. Im Endeffekt ist es ihnen gelungen, 28,4% der Stimmen zu erreichen, was ihnen einen klaren ersten Platz verschaffte. Und trotzdem ist es ihr schlechtestes Ergebnis seit 100 Jahren. Die zweitgrößte Partei, die Moderaten, hätten im schlimmsten Fall rund 17% bekommen sollen – sie haben 19,8% erreicht. Beide Gruppierungen mussten aber große Verluste zugunsten der Schwedendemokraten einbüßen, denen manche Umfragen sogar 25% gegeben haben. Damit hätten sie die Sieger der Wahlen sein können. Obwohl sie im Vergleich zu den letzten Wahlen 4.8 Prozentpunkte der Stimmen dazu gewonnen haben, hatten sie gemischte Gefühle bezüglich des Wahlausgangs. Sie erwarteten ein Ergebnis von über 20% und zumindest den zweiten Platz. Der Parteivorsitzende Jimmie Ǻkesson ist bereit, eine Regierung mit den Moderaten zu bilden, aber deren Vorsitzender Ulf Kristensson zeigte bisher nur Interesse an der ursprünglichen Mitte-Rechts-Allianz. Die außen-rechten Schwedendemokraten werden wahrscheinlich von den anderen Parteien ausgegrenzt um ihren Einfluss absichtlich gering zu halten.

Das Schicksal der kleineren Parteien war ebenfalls lange Thema der Spekulationen. In Schweden beträgt die Sperrklausel 4%. Sowohl christliche Demokraten als auch die Grünen hatten während der Meinungsumfragen große Probleme, über dieser Hürde zu bleiben. Die Hitzewelle und Waldbrände haben den Grünen mit ihrem klar umweltfreundlichen Programm geholfen. Dennoch haben sie nur 4,3% der Stimmen bekommen. Am Wahlabend bangte man zeitweise darum, die Grenze von 4% nicht zu erreichen, was den Sieg des liberal-konservativen Blocks bedeutet hätte. Die christlichen Demokraten konnten schlussendlich auf ganze 6,4% kommen, während Umfragen ihnen ca. 3% gegeben haben.

Nie in der Geschichte haben die Wahlen in Schweden so viele Fragen offen gelassen. Unabhängig davon, welcher Block regieren wird, braucht er die Unterstützung der Schwedendemokraten, um seine Budgetpläne zu beschließen. Bislang haben jedoch alle Parteien eine Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten, wegen ihrer Neo-nationalsozialistischen Wurzeln und des weit rechts-außen angesiedelten Programms, abgelehnt. Die Bildung einer Regierung startet mit einem Stillstand und Unklarheit, da die traditionellen Blöcke bislang keine Intention zeigten, alte Muster aufzubrechen. Theoretisch könnte es noch zu einer Übereinkunft kommen, da die Stimmen von im Ausland lebenden Schwed*innen noch nicht ausgezählt wurden. Gelingt es den Sozialdemokraten, die Liberalen und die Zentrumspartei zu überzeugen, um eine Regierung zu bilden, die die traditionellen Blöcke aufspaltet? Oder werden sie an ihrem rot-grünen Block festhalten, der immerhin einen Sitz mehr erreicht hat? Oder wird der liberal-konservative Block, trotz des Rückstandes eines Sitzes, angeführt von den Moderaten, die Regierung bilden können? Oder wenden sie sich doch noch an die Schwedendemokraten und bilden eine dem österreichischen ÖVP-FPÖ-Bündnis ähnliche Koalition? Auch die Zusammenarbeit zwischen den Sozialdemokraten und den Moderaten ist nicht ganz auszuschließen – das entspräche der großen Koalition in Deutschland.

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