Die Europäische Klimatransformation
Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, also die CO₂-Emissionen der EU in naher Zukunft auf null zu reduzieren, gibt es im Wesentlichen zwei politische Ansätze, die jeweils unterschiedliche Geschwindigkeiten vorsehen. Der strikte Ansatz mit klar festgelegten Zielen ohne Spielraum und der flexible Ansatz, der Unternehmen den Raum für die Schaffung alternativer Technologien lässt. Letzterer kann aber nicht garantieren, dass diese Technologien rechtzeitig entwickelt werden können. Daher müssen politische Wahlprogramme anhand der Spezifität ihrer Ambitionen und der vorgesehenen Geschwindigkeit bezüglich der Transformation klassifiziert werden. Der Energiesektor, der größte Verursacher von CO₂-Emissionen, ist ein zentraler Punkt bei der Einordnung dieser Wahlprogramme und sollte allerspätestens 2040 vollkommen klimaneutral sein. Laut dem AR6 Synthesebericht des Weltklimarates (IPCC) sollte die ganze EU bereits 2040 nahezu klimaneutral sein.
Partei Klassifikationen
– Unterstützen den Europäischen Grünen Deal (Netto-Null bis 2050) ❌
– Streben eine strengere Klimapolitik an (wie von der IPCC empfohlen): ✅
– Lehnen den Grünen Deal ab und fordern rückläufige Maßnamen :📛
Europäische Volkspartei (CDU/CSU)
Übersetzt aus dem Europawahlprogramm der EPP
„Wir sind fest entschlossen, das Ziel einer Reduzierung der Emissionen um 55% und die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Europa darf auf diesem ehrgeizigen Weg nicht deindustrialisieren, sondern muss der Welt vielmehr zeigen, dass die kohlenstoffneutrale Transformation durch unsere Unternehmen erfolgreich umgesetzt werden kann.“
„Wir setzen auf innovative Konzepte und marktorientierte Instrumente für den Klimaschutz wie den Emissionshandel, den Ausbau erneuerbarer und anderer kohlenstoffarmer Energien sowie eine Kreislaufwirtschaft, einschließlich der zirkulären Bioökonomie.“
Europäische Grüne (Bündnis 90/Die Grünen)
Übersetzt aus dem Europawahlprogramm der European Greens
„Wir wollen unser Energiesystem so transformieren, dass es zu 100% auf Solar-, Wasser-, Wind- und Geothermieenergie basiert, und fossile Energie bis 2040 abschaffen.“
„Die EU muss alle fossilen Brennstoffe bis 2040 auslaufen lassen, beginnend mit Kohle bis 2030. Die EU braucht einen klaren Plan für den vollständigen Ausstieg aus fossilem Gas und Öl, so früh wie 2035 und spätestens bis 2040.“
„Wir werden uns für einen Grünen und Sozialen Übergangsfonds in Höhe von mindestens 1% des EU-BIP pro Jahr einsetzen, der hauptsächlich durch gemeinsame Kreditaufnahme auf EU-Ebene finanziert wird.“
Sozialdemokratische Partei Europas (SPD)
Übersetzt aus dem Europawahlprogramm der PES
„Wir werden weiterhin in erneuerbare Energien und Energieeffizienz investieren, um spätestens bis 2050 klimaneutral zu sein, indem wir starke EU-Klimaziele für 2040 erreichen.“
„Unser ultimatives Ziel ist es, einen vollständig erneuerbaren und sauberen Energiemix zu erreichen, der nationale und europäische Interessen sichert.“
Allianz der Liberalen und Demokraten (FDP)
Übersetzt aus dem Europawahlprogramm der ALDE
„Priorisieren die Umsetzung der bereits verabschiedeten Energie- und Klimaregeln, um unsere Ziele zu erreichen, einschließlich des von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Ziels für 2040, und der Ambitionen, sicherzustellen, dass Sie vollständig von der nachhaltigen Transformation profitieren und sich anpassen können.“
„Erweitern den Anwendungsbereich des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) auf alle verbleibenden kohlenstoffverschmutzenden Sektoren und entwickeln ein technologieneutrales Zertifizierungssystem für verifizierte negative Emissionen.“
Europäische Linke (DIE LINKE)
Übersetzt aus dem Europawahlprogramm der European Left
„Der ‘„Europäische Grüne Deal’“ der Europäischen Kommission hat das Ziel gesetzt, dem Klimawandel entgegenzuwirken und eine ökologische Wende einzuleiten. Dennoch bleibt er in einem Rahmen der Versöhnung mit dem kapitalistischen Produktionssystem stecken, das überwunden werden muss. Es bedarf eines stärkeren Impulses und einer anderen Perspektive. Die Europäische Linke zielt darauf ab, zur Entstehung einer progressiven Bewegung beizutragen, deren Hauptaufgabe es ist, den Neoliberalismus und ein kapitalistisches System zu überwinden, das die Natur, Frauen und Männer ausbeutet.“
Europäische Konservative und Reformer
Übersetzt aus dem Europawahlprogramm der ECR
„Die globale Herausforderung des Klimawandels und der Reduzierung der Treibhausgasemissionen kann nur global und in einer Marktwirtschaft angegangen werden. Wir schlagen einen gegensätzlichen Ansatz zum Green Deal vor, der von der EU in den letzten fünf Jahren gefördert wurde.“
Volt
Übersetzt aus dem Europawahlprogramm der Volt
„Verpflichtung zu einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2040 und zu einem klimaneutralen Energiesektor bis 2035. Beendigung der Subventionen für fossile Brennstoffe, Einführung einer EU-weiten CO₂-Steuer und Nutzung der Einnahmen zur Unterstützung der am stärksten von der grünen Transformation betroffenen.“
Identität und Demokratie Partei (AfD)
Der Präsident der ID, Marco Zanni, erklärte, „Der EU Green Deal war eine der Hauptinitiativen dieser Kommission, stark beeinflusst durch den extremen grünen Fanatismus von Personen wie Timmermans und anderen, die die verheerenden Auswirkungen mehrerer in den letzten Jahren entwickelter Maßnahmen ignoriert haben. Diese Maßnahmen stellen eine erhebliche Bedrohung für die langfristige Stabilität des wirtschaftlichen Rahmens der EU dar.“
Einfluss der EU-Beziehungen zu China und Russland auf die Klimatransformation
Wenn es um die industrielle Klimatransformation geht, benötigt die Wirtschaft eines jeden Staates guten Zugang zu seltenen Erden. Materialien wie Neodym und Dysprosium sind für Windturbinen ebenso entscheidend wie Lithium und Kobalt für die Batterien von Elektroautos. Über 80-90% der weltweiten Produktion von seltenen Erden stammt aus China. Diese Dominanz erstreckt sich sowohl auf den Bergbau als auch auf die Verarbeitung dieser kritischen Materialien, was China eine zentrale Rolle auf dem globalen Markt für seltene Erden verleiht. Daher hat die Beziehung zu China, aber auch zu Russland, einen erheblichen Einfluss auf die Klimatransformationsbemühungen der EU. Die meisten Parteien streben jedoch an, die Abhängigkeit von China und Russland zu verringern, um Lieferketten resilienter zu machen. Angesichts des steigenden globalen Risikos für Konflikte, beispielsweise erkennbar an der steigenden Anzahl internationalisierter innerstaatlicher Konflikte, erkennt die EU-Kommission die Gefahr der Abhängigkeiten für die europäische Wirtschaft. Ursula von der Leyen sprach diese Abhängigkeiten auf dem EU-China-Gipfel 2023 an und sagte: „Es geht darum, die Lehren aus der globalen COVID-19-Pandemie und Russlands Energie Erpressung zu ziehen.“
In einem Bericht von Eurostat zu den Importen von seltenen Erden heißt es: „Im Jahr 2022 verzeichnete die EU einen signifikanten Anstieg der Importe von seltenen Erden (REE+). Insgesamt wurden 18.000 Tonnen importiert, ein Anstieg von 9% gegenüber 2021, und 7.000 Tonnen exportiert, ein Rückgang von 8% im Vergleich zum Vorjahr.“
Wie kann die Klimatransformation trotz weniger Handel mit China funktionieren?
Beim Vergleich des Bedarfs der EU an Materialien mit den weltweit verfügbaren Ressourcen wird deutlich, dass es zahlreiche alternative Länder mit ausreichenden Ressourcen gibt, um die Lieferkette der EU zu sichern. Chinas fortschrittliche Fähigkeiten im Abbau und der Verarbeitung von seltenen Erden, führen jedoch zu deutlich niedrigeren Preisen. Bei der Reduzierung der Abhängigkeit von China im Bezug auf Ressourcen geht es also viel mehr um Kosten als um Verfügbarkeit.
Der Kostenvorteil von China, gegenüber den anderen REE-Ländern, könnte sich aber in Zukunft verringern. Dies wird zum Beipiel in der Studie„Global rare earth elements projects: New developments and supply chains“, aus dem Jahr 2023, untersucht. Übersetzt heißt es daraus: „Asien verfügt nach wie vor über die größten REE-Ressourcen und den geschätzten Wert. Aber wenn die Umwelt- und Verarbeitungstechnologie Probleme gut gelöst werden können, würde sich das Potenzial der REE-Ressourcen in Grönland, Afrika und Europa zeigen.“
Trotzdem bleibt der Erfolg einer wirtschaftlich soliden Klimatransformation ohne die Beteiligung Chinas fraglich, da die Transformation auch sehr schnell erfolgen muss. Das Potential dieser Länder ist eben vorhanden, aber benötigt Zeit, um entfesselt zu werden.
Wie wollen die Parteien ihre Handelsbeziehungen in Zukunft gestalten?
Alle Parteien, die sich in ihrem Wahlprogramm dazu äußern, wollen in Zukunft ihren Fokus auf Handelspartner legen, die ideologisch und systemisch nahe der EU sind. Das bedeutet mehr Handel mit Demokratien und weniger Abhängigkeit von autoritären Regimen wie China und Russland. Hier die verschiedenen Partei Positionen in einer Übersicht, begründet mit Zitaten aus dem Wahlprogramm
Europäische Grüne (Bündnis 90/Die Grünen)
„Die EU muss eine robuste Menschenrechtspolitik umsetzen, die damit beginnt, unsere Lieferketten zu entflechten und unsere Selbstversorgung in einer Welt mit zunehmender Klimaunsicherheit und politischen Spannungen zu erhöhen, wobei anerkannt wird, dass gegenseitige Abhängigkeit ein Schlüsselfaktor für ein friedliches internationales System und einen global gerechten Übergang ist.“
Sozialdemokratische Partei Europas (SPD)
„Wir werden unsere Beziehungen zu China neu ausbalancieren, unsere Werte fördern und unsere Interessen schützen und weiterhin zusammenarbeiten, um drängende globale Probleme anzugehen.“
Europäische Volkspartei (CDU/CSU)
„Globale technologische Führung im Bereich der E-Mobilität wird ohne Seltene Erden aus Afrika, Lateinamerika und Asien nicht gelingen. Wir werden eine gemeinsame europäische Ressourcenstrategie für zukünftige Innovationen fördern, die die bestehenden Ressourcen weltweit identifiziert und in Europa nutzt, während wir die Diversifizierung vorantreiben, um Abhängigkeiten von Drittstaaten zu vermeiden. Wir werden nicht zulassen, dass Europa in Zukunft stark von den Ressourcen Putins oder anderer Autokraten abhängig ist.“
Allianz der Liberalen und Demokraten (FDP)
„Reduzieren die Abhängigkeit von Regimen, die unsere europäischen Werte nicht teilen, unter Anwendung des Prinzips der Risikominderung und Diversifizierung.“
Identität und Demokratie Partei (AfD)
Die ID hat kein Wahlprogramm, jedoch äußerte sich Marco Zanni, Präsident der ID folgendermaßen:
„Die EU sucht nun nach einer kohärenten Strategie, da bereits alle Gesetze vorgelegt wurden, die uns in die Hände Chinas legen werden. Dies sind alles kurzsichtige Entscheidungen, die die EU nur noch abhängiger von China machen und das Risiko bergen, den Fehler, der vor Jahren mit Russland gemacht wurde, zu wiederholen.“
Europäische Konservative und Reformer
„Wir werden die Risikominderung priorisieren und in unserer Beziehung zu China einen festen Ansatz verfolgen. Wir werden auch darauf abzielen, die Welthandelsorganisation (WTO) zu reformieren und dynamische Partnerschaften mit strategischen Verbündeten wie den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und in Lateinamerika sowie in der indo-pazifischen Region zu fördern, um das globale Wachstum voranzutreiben.“
Europäische Linke (DIE LINKE)
Keine Position im Wahlprogramm
Volt
Keine Position im Wahlprogramm
Fazit
Die Klima-Ambitionen der Mehrheitlichen Europaparteien gehen nach aktuellem Stand des Weltklimarates nicht weit genug. Die einzige Partei dieser Analyse, welche alle Ziele des Weltklimarates einhält, ist die Kleinpartei Volt. Diese noch sehr junge Partei konnte bei der vergangenen Europawahl 0,7% der Stimmen in Deutschland gewinnen. Von den etablierten Parteien gibt es die größten Übereinstimmung mit den Zielen des Weltklimarates bei den Europäischen Grünen. Für die Klimatransformation wird es in Zukunft wichtig sein, den Außenhandel zu stärken, um einen günstigen und unabhängigen Zugang zu seltenen Erden zu erlangen. Dabei werden sich die mehrheitlichen Parteien dieser Analyse von etablierten Handelspartnern wie China und Russland wegbewegen wollen.
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