Wie politische Krisen in Georgien Russland in die Karten spielen

, von  Jérôme Flury, Übersetzt von Katharina Walch

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Wie politische Krisen in Georgien Russland in die Karten spielen
Charles Michel, der Präsident des Rates der Europäischen Union, und Irakli Garibashvili, der Premierminister von Georgien. Treffen in Tbilisi, Georgien, am 20.04.2021 Foto: European Union/Lizenz

Die Europäische Union gibt Georgien nicht auf. Das Land geht seit Oktober 2020 von Krise zu Krise. Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, intervenierte daher persönlich und schickte einen EU-Diplomaten zur Vermittlung nach Georgien. Doch die Zeit vergeht und eine Lösung scheint noch nicht gefunden zu sein.

Am 14. Januar 2021 zeigt sich der georgische Premierminister Giorgi Gacharia auf Twitter optimistisch: „Ich hoffe, dass bald unsere Flagge, das Symbol unserer Staatlichkeit, unter den Flaggen der EU-Mitgliedsstaaten gehisst wird.“ Am 21. März 2021 kündigt Natalie Sabanadze, Georgiens Vertreterin bei der Europäischen Union, auf Facebook ihren Rücktritt an: „Es war eine erfolgreiche Mission, aber auch eine herausfordernde und manchmal ein moralisches Dilemma. Es ist an der Zeit, weiterzugehen.“

Zwischen dem 14. Januar und dem 21. März ereignete sich in Georgien eine neue Episode einer langanhaltenden politischen Krise aus. Giorgi Gacharia trat am 18. Februar als Premierminister zurück und erklärte, er sei mit einem Gerichtsurteil vom Vortag nicht einverstanden, das die Verhaftung des Oppositionsführers Nika Melia forderte. Die politische Situation ist in Georgien seit den Parlamentswahlen im vergangenen Oktober weiterhin sehr kompliziert.

Nach mehreren Demonstrationen im Land Ende Februar verkündete Charles Michel, Brüssel sei „besorgt“ über die „sich verschärfende Krise in Georgien“. Er hatte geplant, Georgien am 1. März zu besuchen und seine Reise tatsächlich angetreten, nachdem er von der belgischen Hauptstadt aus zum Dialog zwischen der georgischen Regierung und der Opposition aufgerufen hatte.

In der georgischen Hauptstadt fand schließlich ein Treffen zwischen den Oppositionsparteien und der Regierung statt. „Heute Abend bin ich stolz, weil ein guter Schritt, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht wurde“, sagte Charles Michel am Ende seines Besuchs. Die europäische Beteiligung an diesen Debatten wird vorerst nicht als Einflussnahme empfunden.

Zusammenarbeit zwischen der EU und Georgien

Badri Japaridze, Vorsitzender der Oppositionspartei Lelo, sagte der AFP (Agence France-Presse, Anm. d. Redaktion): „Ich bin zuversichtlich, dass die persönliche Rolle von Präsident Michel und das hochrangige Engagement der EU uns helfen werden, einen Weg aus dieser politischen Sackgasse zu finden.“ Er blieb vorsichtig über zukünftige Schritte: „Wir werden in den nächsten zwei Wochen intensiv arbeiten und deutliche Fortschritte machen müssen“. Ein paar Tage danach, am 8. März, wurde ein schwedischer Diplomat, Christian Danielsson, von der Europäischen Union gebeten, zur Vermittlung nach Georgien zu reisen.

Eine Woche später fand ein Assoziationsrat EU-Georgien am 16. März 2021 unter der Schirmherrschaft von Josep Borrell statt. Die georgische Delegation wurde vom neuen Premierminister Irakli Garibaschwili angeführt. Es ist zwei Jahre her, dass die beiden Parteien ein solches Treffen abhalten konnten, das sechste seiner Art, das erste fand 2014 statt.

Zum Abschluss des Gipfels, an dem auch der EU-Kommissar für Erweiterung und Nachbarschaftspolitik, Olivier Várhelyi, teilnahm, wurde von der EU eine Pressemitteilung herausgegeben. Insgesamt unterstreicht der Text die Bemühungen Georgiens, europäische Standards zu erfüllen, und bekräftigt den gemeinsamen Willen, die politische und wirtschaftliche Integration Georgiens mit der EU zu vertiefen. Das Land hat außerdem einen Beobachterstatus im Europäischen Migrationsnetzwerk erhalten.

Weitere positive Punkte sind das reibungslose Funktionieren des Visaliberalisierungssystems für Georgier*innen und die Bemühungen des Landes, Menschenrechte zu garantieren und eine effektive Arbeitsaufsichtsbehörde zu schaffen. Die EU hat auch betont, dass der Staat ein strategischer Partner in der Region ist, insbesondere in den Bereichen Außenpolitik und Sicherheit.

Innenpolitische Fragestellungen und russischer Einfluss

Aber während Georgien erklärte, der EU bis 2024 beitreten zu wollen, haben andere Themen für mehr Resonanz gesorgt. Dies gilt insbesondere für die Reform des Justizwesens. Fortschritte können bei der „Stärkung der Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht der Justiz erzielt werden, während das Verfahren zur Ernennung von Richtern des Obersten Gerichtshofs mit den europäischen Regeln in Einklang gebracht werden muss“. Der Assoziationsrat bedauerte zudem „zutiefst die zunehmende Polarisierung des politischen Lebens in Georgien“ und rief dazu auf, Anstrengungen zu unternehmen, „um die Situation zu deeskalieren und zu einer gemeinsamen Basis zu gelangen“.

In den folgenden Tagen beruhigte sich die Lage nicht. Am Morgen des 23. März wurde schließlich Nika Melia, der Führer der Vereinten Nationalen Bewegung (UNM), in den Räumlichkeiten seiner Partei, in die er sich geflüchtet hatte, festgenommen. Christian Danielsson seinerseits kehrte schließlich nach Brüssel zurück, ohne einen finalen Fortschritt erzielen zu können. Am 21. März kündigte Natalie Sabanadze, die Georgien acht Jahre lang bei der EU vertreten hat, ihren Rücktritt an. Sie sagte der Tageszeitung Le Monde, dass sie in den letzten Wochen „Meinungsverschiedenheiten mit der georgischen Regierung“ gehabt habe. „Alle unsere Führer sagen, dass sie pro-europäisch sind, aber es reicht nicht, es zu sagen, man muss es auch sein.“

Euractiv erklärt: „Obwohl Georgien ein Land ist, in dem sowohl die Regierungspartei als auch die Opposition behaupten, pro-westlich zu sein, spielen die endlosen Streitigkeiten letztlich Wladimir Putin in die Hände, der die ehemalige Sowjetrepublik auf Distanz zur NATO und zur EU halten will. Und die EU weiß das.“

Am 21. Januar 2021 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland wegen der Angriffe in den georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien 2008. Der Assoziationsrat EU-Georgien erinnerte im März daran und äußerte weitere Bedenken in Bezug auf diese Regionen, insbesondere hinsichtlich der „Unterzeichnung eines Programms zur Schaffung eines gemeinsamen sozioökonomischen Raums zwischen Russland und Abchasien“. Der Assoziationsrat hielt Russland auch dazu an, den am 12. August 2008 erklärten Waffenstillstand einzuhalten.

Verlängerung der europäischen Beobachtungsmission

Seit dem militärischen Konflikt vor fast 13 Jahren ist eine EU-Beobachtungsmission in Georgien im Einsatz. Derzeit sind 204 zivile Beobachter*innen aus 24 Mitgliedsstaaten in Tiflis, Gori, Mzcheta und Zugdidi mit verschiedenen Zielen stationiert: Um sicherzustellen, dass die Feindseligkeiten nicht wieder aufgenommen werden. Zur Erleichterung der Rückkehr zu einem sicheren und normalen Leben für die lokale Bevölkerung, die auf beiden Seiten der administrativen Grenzlinie zu Abchasien und Südossetien lebt. Um Vertrauen zwischen den verschiedenen Parteien aufzubauen und über die Politik der Union in Georgien und in der gesamten Region zu informieren.

Eines ist sicher: Die Beziehungen zwischen Georgien und der EU, die der größte Handelspartner des Landes ist, sind eng. Und die georgische Präsidentin, die in Paris geborene Salome Surabischwili, eine ehemalige französische Diplomatin, hat nie einen Hehl aus ihrer Verbundenheit mit der Europäischen Union gemacht, wie sie im Januar bei einem Treffen mit europäischen Beamt*innen betonte. Nichtsdestotrotz liegt noch ein langer Weg vor uns.

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