Wir dürfen Orbáns Schandmauer nicht akzeptieren

, von  Fabien Cazenave, übersetzt von Inga Wachsmann

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Wir dürfen Orbáns Schandmauer nicht akzeptieren
Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán will mit einer Mauer zur serbischen Grenze Flüchtlinge aufhalten. Foto: © European Parliament / Flickr / CC BY-SA 2.0-Lizenz

Der ungarische Ministerpräsident möchte an der Grenze zu Serbien eine Mauer bauen. Seine demagogische Antwort auf die Flüchtlingsströme, denen sein Land alleine nicht Herr wird. Bekommen wir eine neue Mauer in Europa?

Die Flüchtlingssituation in Ungarn ist nicht katastrophal, aber doch bemerkenswert. Seit Anfang 2015 hat Ungarn 50 000 Asylbewerber aufgenommen, knapp 10 000 weniger als Italien. Dabei hat Ungarn zehn Millionen Einwohner und Italien 60 Millionen, verbunden mit dementsprechenden finanziellen Mittel. Ungarn kann eine so massive Einreise von Flüchtlingen also nicht alleine bewältigen. Dafür fehlen die finanziellen Mittel und das Personal. Es sind insgesamt zwanzig Mal so viele Flüchtlinge in sechs Monaten wie für das gesamte Jahr 2013.

Trotzdem, eine vier Meter hohe Mauer auf einer Länge von 175 Kilometern ist eine schändliche Lösung. Eine Schande im Angesicht der Geschichte des Kontinents, der 40 Jahre durch einen Eisernen Vorhang gespalten war, der vor allem zwischen Österreich und Ungarn verlief. Eine Schande, weil eine solche Mauer denken lässt, dass Ungarn einer unüberwindbaren humanitären Situation gegenübersteht. Dies ist keineswegs der Fall. Die Asylsuchenden, meist Afghanen und Syrer, bleiben nur ein paar Tage in Ungarn. Sie flüchten laut rfi anschließend weiter in den Norden Europas. Im Gegensatz zu Griechenland oder Italien ist Ungarn keineswegs in einer humanitären Krise.

Wie soll man auf einen solchen Populismus reagieren? 3 Antworten.

Erstens, unsere Entrüstung äußern. Viktor Orbán zählt auf das Abwarten der Europäer um seine Maßnahmen durchzusetzen. Er ist so weit gegangen, dass eine Provokation mehr oder weniger fast unbemerkt geschehen kann. Zuletzt wollte er die Todesstrafe wieder einführen. Bisher sind dafür keine Sanktionen gefallen. Die kindischen Spielereien der europäischen Staaten des „so wie du mir, so ich dir“ sorgen dafür, dass niemand Ungarn bestrafen möchte. Eines Tages könnten einem nämlich Sanktionen der anderen Staaten gegen einen selbst drohen. Einmal mehr müssen wir also unsere Empörung zeigen, und unsere europäischen und nationalen Politiker unterstützen wenn sie Ungarn mit Sanktionen drohen.

Zweitens, die Republikaner um Nicolas Sarkozy in Frankreich und alle anderen europäischen konservativen/christlich-demokratischen Parteien auffordern, die Europaabgeordneten des Fidesz, der Partei Orbáns, aus ihrer parlamentarischen Gruppe im Europäischen Parlament, der EVP (Europäische Volkspartei), auszuschließen. Orban würde dadurch ein Hebel genommen, den er häufig nutzt, um Wellen der Empörung zu glätten, die sein autokratisches Verhalten provoziert. Wir müssen einsehen, dass er seit langem nicht mehr zum demokratisch-konservativen Flügel gehört. Im Sommer 2014 hat er seine ideologische Revolution durchgesetzt, indem er eine „illiberale Demokratie“ gefordert hat, ähnlich wie in Russland oder China. Ihn aus der EVP auszuschließen würde den ungarischen Bürgern zeigen, dass Viktor Orbán nicht als jemand gesehen wird, der Teil des normalen demokratischen Spiels ist. Dies würde diejenigen Ungarn unterstützen, denen man das Totschlagargument entgegenhält, dass Viktor Orbán Demokrat ist „weil er der größten europäischen politischen Partei angehört, derselben wie Jean-Claude Juncker, dem Präsidenten der Kommission“.

Schließlich müssen wir eine europäische Lösung vorschlagen. Es ist einfach einem Entscheidungsträger eine falsche Entscheidung vorzuwerfen, vielmehr sollte jedoch eine europäische Alternative diskutiert werden. Rein nationale Lösungen zu finden, wäre ein großer Fehler, weil wir es mit einer Situation zu tun haben, die in vielen europäischen Ländern ähnlich ist. Wir brauchen also eine europäische Lösung. Mit einer polizeilichen Überwachung der europäischen Grenzen zum Beispiel wäre Ungarn nicht mehr allein gelassen, die Grenzen zu kontrollieren. Gleiches gilt für ein europäisches Management der Flüchtlinge und Asylsuchenden. Aber dafür brauchen wir eine wirklich europäische Politik, kein Staatenkonzert wo jeder seine Eigeninteressen auf Kosten der anderen auslebt.

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