Wir haben die Freiheit gewählt – Die Gedenkfeier zum Jahrestag der Juni-Wahlen 1989

, von  Joanna Wieczorek, übersetzt von Jagoda Pokryszka

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Wir haben die Freiheit gewählt – Die Gedenkfeier zum Jahrestag der Juni-Wahlen 1989
Blick auf Warschau. Foto: Unsplash / Adam Niescioruk / Unsplash License

Vor 30 Jahren – am 4. Juni 1989– haben die Parlamentswahlen in Polen stattgefunden, die die Gewerkschaft „Solidarność“ („Solidarität“) zum eindeutigen Sieger erkoren haben. Dadurch ist der Prozess des demokratischen Wandels sowohl im Land als auch im ganzen Europa in Gang gekommen. An dem Tag sind die Pol*innen wählen gegangen, um ihrem Frust mit dem kommunistischen Regime einen freien Lauf zu lassen. Wir berichten, wie der Jahrestag der ersten teilweise freien Wahlen seit dem Zweiten Weltkrieg gefeiert wurde.

Dieser Beitrag ist im Original am 30. Juli 2019 erschienen. Folgend auf den 9. November in seiner Funktion als Jubiläum und Gedenktag bringen wir den Beitrag heute erneut.

Der Tag der Freiheit in der Hauptstadt – Konzerte, Reden und viel mehr

Die Warschauer*innen haben bei dem Konzert „Wir haben die Freiheit gewählt SMOLIK + Gäste“ am Paradeplatz gefeiert. Die Künstler*innen aller Generationen haben die Stücke aus verschiedenen Zeitepochen dargestellt, die nicht nur wegen des Inhalts wichtig waren, sondern auch einen großen musikalischen Wert hatten. Muniek Staszczyk, Nosowska, Daria Zawialow, Tomek Lipinski und Justyny Swies aus der Band „The Dumplings“ haben polnische Songs wie „Kocham wolność“ („Ich liebe Freiheit“), „Polska“ („Polen“), „To tylko tango“ („Nur Tango“) gesungen. Das Konzert war nur ein Teil der Feierlichkeiten. Am Verfassungsplatz vor dem Gebäude, wo das Warschauer Bürgerkomitee „Solidarność“ 1989 seinen Sitz hatte, hat der ehemalige Bundespräsident Bronislaw Komorowski eine Rede gehalten: „Ich komme heute aus Danzig zurück. Dort schlagen am lautesten die Herzen von all denen, die diese Freiheit aufgebaut haben. Aber ich freue mich auch, dass dieser Puls der Freiheit auch hier in Warschau schlägt. Man muss es betonen, dass es hier 1989 das Komitee des großen Handelns für Polen gab, weil es hier das Wahlkomitee von Solidarność gab. Man sollte sich daran erinnern, um nächstes Jahr die größten Feierlichkeiten auch hier in der Hauptstadt zu organisieren. Nun möchte ich auf unseren tiefen Glauben an die Kraft der Freiheit, an die Attraktivität der Freiheit anstoßen“. Das ist aber nicht alles: seit Samstag finden Debatten, Diskussionen und Theaterstücke statt, die der Idee der Freiheit gewidmet sind. Im Haus der Treffen mit der Geschichte wird am 7. Juni eine Ausstellung „Przelom w kadrze 1989“ („Der Durchbruch in der Aufnahme 1989“) eröffnet. Sie präsentiert Fotos und Filme, die die Ereignisse 1989 dokumentieren. Die Ausstellung dauert bis zum 4. August. An demselben Tag wird auch der Film „Przelom w kadrze“ („Der Durchbruch in der Aufnahme“) von Agnieszka Uscinska und Jaroslaw Watora seine Premiere haben.

Der Tag der Freiheit und Solidarität in Danzig

Im Rahmen der Debatte „30 Jahre der polnischen Demokratie“ haben in Danzig die ehemaligen Bundespräsidenten ihre Reden gehalten: Lech Walesa, Aleksander Kwasniewski und Bronislaw Komorowski. Der EU-Ratsvorsitzende Donald Tusk sagte: „Polen sind eine stolze, europäische Nation, auch wenn wir manchmal mit der Regierung nicht zufrieden sind“. Vor dem Europäischen Zentrum der Solidarität Dabrowski-Mazurka (die Nationalhymne von Polen) gespielt. Gleich danach haben die Teilnehmer*innen der Feierlichkeiten das Danziger Manifest der Freiheit und Solidarität unterzeichnet und verkündet. Es ruft zum neuen, besseren Polen auf. Es gedenkt auch des ermordeten Bürgermeisters Pawel Adamowicz und knüpft an die Werte an, der ihm wichtig waren. Während der Kundgebung hat auch die jetzige Bürgermeisterin Danzigs Aleksandra Dulkiewicz das Wort ergriffen: „Die polnische Revolution ohne Gewalt und Blutbad ist ein Grund, stolz zu sein. Heute dürfen wir aber nicht vergessen, dass es anders hätte sein können – zum Beispiel wie in China, umso mehr sollten wir uns über unsere Freiheit freuen. Ich glaube, dass das „bessere“ Polen und ein Gemeinschaftsgefühl möglich sind. Ich weiß, dass wir Polen zusammen ändern können.“ Das Danziger Manifest hat die Schauspielerin Krystyna Janda vorgelesen: „Wir wollen Demokratie ohne hasserfüllte Zwistigkeiten. Wir wollen einen öffentlichen Raum, der frei vom Lügen ist. Wir wollen unsere gemeinsame Zukunft im Geist des Dialogs aufbauen. Wir wollen eine bessere Politik.“ Das Konzert „30 Jahre Freiheit“ am Oliver Tor war die Krönung der Feierlichkeiten. Das Spektakel hat man in 3 Teile geteilt: „Es war“, „Es ist“ und „Es wird“, die eine komplexe Erzählung von der Freiheit ausgemacht haben.

„Damit Freiheit Freiheit ist, brauchen wir die Solidarität“

An der Gedenkfeier hat das ganze Land teilgenommen. An dem Tag erinnern sich die Pol*innen, wie es früher war und wie es nun ist. Es sind sogar und schon 30 Jahre seit dem Moment, in dem die Wahlkarten der kommunistischen Diktatur den letzten Schlag erteilt haben. An dem Tag erinnern wir uns daran, wie wichtig für uns die Freiheit ist. Weil Freiheit eine Wahl ist, eine Möglichkeit, die Entscheidungen zu treffen. Freiheit ist aber auch eine tägliche Anstrengung. Am 4. Juni feiern wir die Freiheit, aber wir sollten auch darüber nachdenken, wie einfach es ist, die Möglichkeit der Entscheidung über das eigene Leben zu verlieren. Sie denen abzugeben, die eine scheinbar bessere Ideologie vorschlagen. Wie Timothy Garton Ash während der Debatte in Danzig sagt, „sollte wir daraus lernen, dass für die Freiheit die Solidarität unabdingbar ist. Es gibt keine Freiheit ohne die Solidarität“. Nutzen wir also die Freiheit, nutzen wir die Demokratie. Mit seinem holprigen Weg hat Polen nicht nur die europäische, sondern überhaupt die Weltgeschichte geschrieben, weil wir die Freiheit gewählt haben.

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