Liebe deine Stadt!
In den Zeiten der Globalisierung wird paradoxerweise der Begriff der Heimat wiederentdeckt. Die im Gewirr der Informationen verlaufenen Menschen suchen nach einem Anhaltspunkt, mit dem sie sich identifizieren können. Die eigene Stadt, die nächste Umgebung haben dadurch an Bedeutung gewonnen. Jürgen Wiebicke sagt also: Liebe deine Stadt! Beteilige dich an ihrer Entwicklung! Die Arbeit an der Umsetzung neuer Projekte sollte möglichst verschiedene Gruppen und Schichten umfassen. Reiche und Arme haben zwar selten miteinander zu tun und – wie es häufig betont wird – wird die Kluft zwischen ihnen immer mehr unüberbrückbar, aber sie wohnen doch in der gleichen Stadt, deren Gemeinwohl ihnen am Herzen liegen sollte. Außerdem „kennt keiner mehr den Ort, an dem dies [Angelegenheiten austauschen] geschehen könnte, die Polis hat keine Agora mehr, keinen Marktplatz des öffentliches Gesprächs und Meinungsstreits“. Das soziale Engagement könnte deswegen Brücken zwischen bisher fremden Leuten bilden.
Packe Probleme nicht in Watte!
Da wenn man aufhört, sich mit den fremden Meinungen zu konfrontieren, trägt man zum Zerfall der Demokratie bei. „Die besten Ergebnisse kommen im Geist der Kooperation zustande“. Bleiben wir also offen und seien wir bereit, „den eigenen Standpunkt zu räumen, wenn sich eine andere Meinung als die tragfähigere herausgestellt hat“. Jürgen Wiebicke bezeichnet diese Eigenschaft als „schwaches Denken“, das „die gemeinsame Basis für intelligentes Problemlösen in der Demokratie von morgen sein sollte“. Manchmal fehlt schwaches Denken den linken Journalisten, die jeder von ihrer eigenen abschweifenden Meinung Rassismus und Rechtsextremismus nachsagen. Außerdem versinken sie in die Besprechung der erhabenen intellektuellen Probleme, ohne die alltäglichen Sorgen der Mehrheit der Bevölkerung wahrzunehmen: „gerechte Löhne, bezahlbarer Wohnraum, sichere Jobs, Aufstieg durch Bildung“.
Wehre dich, wenn von „den“ Politikern die Rede ist
Die ständige Raunzerei über den Zustand der Politik trägt keinesfalls zur Verbesserung ihrer Qualität bei, sondern führt zum Weg des populistischen Denkens. Selbstverständlich besteht ein Bedarf an der Veränderung und man wünscht sich von den eigenen Vertretern mehr Transparenz und Durchsetzungskraft. Vergessen sollte man aber nicht, dass sie durch ihr Handeln für die Erhaltung der Grundprinzipien und Freiheiten sorgen. Die Kommunalpolitiker wiederum kümmern sich häufig um die lokalen Angelegenheiten, ohne die Rücksicht auf die Weltanschauung der betroffenen Bürger zu nehmen. Jürgen Wiebicke hält hiermit den Beitritt zu einer Partei für richtig, wenn er den eigenen Talenten entspricht: „Wenn dies die Stunde der Zerstörer ist, und in den USA schon erklärte Staatsfeinde Regierungsberater werden, dann benötigen wir Stabilität in beiden Säulen: in den Institutionen und in der Zivilgesellschaft“.
Die Frage, die ich mir nach dem Durchlesen des Buches gestellt habe, war, ob diese Regeln die Anwendung tatsächlich finden können. In einem Land wie Deutschland, wo die populistische Partei zwar Gewinn der Popularität verzeichnet, aber die Demokratie nicht gefährdet ist, mögen sie zur Wiederbelebung der humanistischen und von der Weltoffenheit geprägten Tendenzen beitragen. In Polen oder Ungarn hingegen sind sie weniger behilflich. Die Regierungen dort ignorieren die Proteste und halten die Mahnungen der EU für ein Nichts. Hoffentlich erstellt irgendjemand die zehn Gebote für Demokratie-Retter in diesen Ländern.
Alle Zitate stammen aus dem Buch von Jürgen Wiebicke „Zehn Regeln für Demokratie-Retter“. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2017.
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