Interview mit Wiktoria Różańska

Zwischen Polen und Europa

, von  übersetzt von Friederike Graupner

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Zwischen Polen und Europa
Viktoria Różańska in Ropczyce, Poland. Foto: Leon Schwalbe

Wiktoria Różańska, geboren in Rzeszów, ist 17 Jahre alt. Sie ist Schülerin des Liceum Ogólnoksz-tałcące, eines polnischen Gymnasiums, in Ropczyce. In ihrer Freizeit liest sie viel und hört verschiedene Arten von Musik. Nach ihrem Abitur im nächsten Jahr möchte sie Anwältin werden.

Leon Schwalbe: Wiktoria, was bedeutet polnische Kultur für dich?

Wiktoria: Aus meiner Perspektive ist die polnische Kultur sehr vielfältig. All die unterschiedlichen Traditionen, die wir haben, sind ein sehr wertvolles Erbe, was ich sehr mag.

Leon Schwalbe: Bedeutet das, dass du auch stolz auf dein Land bist?

Wiktoria: Im Moment nicht gerade. Unser Land hat eine lange Geschichte- darauf bin ich stolz. Auf unsere aktuelle Politik bin ich allerdings nicht stolz. Ich finde, sie lässt Polen sehr schlecht aussehen. Wir sind nicht so fortschrittlich wie andere Länder - vor allem, wenn es um Menschen aus anderen Ländern geht. Unsere Regierung ist dem gegenüber nicht sehr offen.

Leon Schwalbe: Was denkst du über die polnische Regierung?

Wiktoria: Ich bin nicht glücklich mit ihr. Sie hören nicht auf die jungen Leute und nicht auf die Wissenschaftler, sie hören eigentlich auf niemanden. Hier passiert also nichts. Es gibt keine Veränderung in Polen.

Leon Schwalbe: Glaubst du also, dass Veränderungen notwendig sind?

Wiktoria: Ja! Ich glaube, viele junge Leute wünschen sich Veränderungen. Nicht nur Personen, die in Parteien oder ähnlichem engagiert sind, sondern Menschen wie ich. Es gibt so viele, die gerne etwas ändern würden, vor allem im Bildungssystem.

Leon Schwalbe: Warum? Was genau meinst du?

Wiktoria: Ich bin 2004 geboren worden- mein Jahrgang ist für sie wie ein einziges Experiment. Sie haben uns ständig mit Anderungen beworfen, wie: „Hey, das und das ist neu. Und jetzt müsst ihr damit klarkommen.“ Sie hören nicht auf uns oder auf das, was wir denken.

Leon Schwalbe: Aber nicht jede*r in unserem Alter ist so politisch interessiert wie du und ich. Seit wann bist du politisch interessiert?

Wiktoria: Für lange Zeit hatte ich die Einstellung: Politik betrifft mich nicht, also habe ich auch kein Interesse daran. Aber dann habe ich die Schule gewechselt und ein Profil gewählt, in dem sehr viele Stunden Politikunterricht beinhaltet waren. Dieser Unterricht hat meine Meinung wirklich verändert! Und ich denke jetzt, dass mehr Menschen diesen Unterricht haben sollten.

Leon Schwalbe: Dabei lernt ihr bestimmt auch etwas über die Europäische Union, oder? Wie denkst du über sie?

Wiktoria: Der Europäischen Union beizutreten war eine der besten Entscheidungen, die wir als Land getoffen haben. Diesen Schritt unterstütze ich wirklich sehr.

Leon Schwalbe: Identifizierst du dich eher als Polin oder als Europäerin?

Wiktoria: Ich würde definitiv sagen, dass ich mich eher als Europäerin als als Polin fühle. Viele Menschen leben immer noch mit ihren Gedanken im Krieg. Ich weiß natürlich eine Menge über den Krieg, aber das macht mich nicht sehr polnisch. Meiner Meinung nach gibt es nicht viele Dinge, durch die man sich als Pole fühlen kann.

Leon Schwalbe: Im Moment findet ein weiterer Krieg statt - nicht in Polen, sondern nur etwa hundert Kilometer von Ropczyce entfernt. Wie geht es dir damit?

Wiktoria: Die Menschen in der Ukraine tun mir sehr leid. Und ich versuche, ihnen-so gut ich kann- zu helfen, denn ich kann mir nicht einmal vorstellen, in dieser Situation zu sein. Ich weiß, dass es auch für mich sehr ernst werden kann, weil ich in der Nähe der Grenze lebe, aber daran versuche ich nicht zu denken und keine Angst zu haben.

Leon Schwalbe: Hat sich in deiner Region seit Beginn des Krieges in der Ukraine etwas verändert?

Wiktoria: In unserer Schule hat uns die Direktorin gesagt, dass wir unsere Schülerausweise tragen müssen. Denn sonst könnten wir das Schulgebäude nicht betreten. Aber das ist nicht passiert. Niemand trägt ihn und eigentlich interessiert es auch niemanden. Sie hat uns auch gesagt, dass es in der Schule Sicherheitsdurchsuchungen geben könnte. Aber auch das ist noch nicht passiert. Es gab also bisher keine großen Veränderungen.

Leon Schwalbe: Was sich jedoch im Vergleich zur letzten „Flüchtlingskrise“ im Jahr 2015 geändert hat, ist die Art und Weise, wie Polen Flüchtende aufnimmt. Was könnten die Gründe für diesen Sinneswandel sein?

Wiktoria: Ich glaube, die meisten Pol*inen wissen, wie es ist, in einem Krieg zu leben. Viele von ihnen sind während des Zweiten Weltkriegs ausgewandert und erinnern sich jetzt, wo der Krieg nur ein paar Kilometer entfernt ist, wieder daran.

Leon Schwalbe: Glaubst du, dass es sich dabei um einen dauerhaften Sinneswandel handeln wird?

Wiktoria: Wenn die Regierung sich ändert, dann würde dieser Wandel auch dauerhaft bleiben. Und ich hoffe, dass sie sich sehr bald ändert.

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