Die Erneuerung von Frontex
Nach der Flüchtlingskrise 2015 hat die Europäische Union beschlossen, die Kontrolle der Außengrenzen zu verstärken. Frontex wurde 2016 in eine Europäische Agentur für Grenzschutz und Küstenwache umgewandelt. Änderungen wurden dabei sowohl an den personellen und materiellen Ressourcen von Frontex als auch an den Durchsetzungsbefugnissen vorgenommen.
In der Praxis stützte sich Frontex auf die Teams sowie die Kapazitäten zu Luft und zu See der europäischen Staaten. Frontex sorgte dafür, dass die für die Außengrenzkontrollen zuständigen nationalen Dienststellen miteinander kooperierten. Die Namensänderungen der Agentur soll diese Entwicklung des Mandats widerspiegeln. Ziel war es, die personellen Kapazitäten zu stärken, die Anschaffung eigener Ausrüstung zu ermöglichen sowie vor allem benachbarte Drittstaaten zu unterstützen, die selbst einen großen Zustrom von Migrant*innen bewältigen müssen. Seit 2016 wurde eine 1.500 Personen starke Interventions-/ schnelle Eingreiftruppe eingerichtet, die im Krisenfall umgehend eingesetzt werden kann. Der Europäische Rat hat 2018 angekündigt, die Europäische Grenz- und Küstenwache weiter stärken zu wollen. Die Kommission wird daher einen entsprechenden Vorschlag ausarbeiten.
10 000 Grenzschutzbeamt*innen bis 2027
In seiner Rede zur Lage der Union im Jahr 2018 kündigte Jean-Claude Juncker 10.000 Grenzschutzbeamt*innen bis 2020 an. Diese europäische Einrichtung setzt sich aus FRONTEX-Mitarbeiter*innen, von den Mitgliedsstaaten langfristig abgestellten Mitarbeiter*innen und dem Personal zusammen, das kurzfristig von den Mitgliedsstaaten entsandt wird. Ziel der Kommission ist es, die Zahl der fest angestellten Mitarbeiter*innen der Agentur sowie der langfristig abgestellten Mitarbeiter*nnen im Verhältnis zu den Kurzzeitkräften zu erhöhen. FRONTEX wird dabei über eigene Ausrüstung zu See, Luft und Land verfügen. Insgesamt belaufen sich die Kosten dieser Vorschläge auf 11,3 Mio. EUR für den Mehrjahreshaushalt 2021-2027.
Diese europäische Einrichtung kann an den Außengrenzen der EU eingreifen, um Identitäten zu überprüfen und irreguläre Migrant*innen zu stoppen. In nicht-europäischen Staaten, kann sie gemeinsam mit den entsprechenden nationalen Institutionen intervenieren. Das Team wird die Mitgliedsstaaten zudem bei Rückführungen unterstützen und zu einer effektiveren Umsetzung derselben beitragen. Weiterhin arbeitet sie mit der Europäischen Asylagentur zusammen, insbesondere in den Hotspots (Registrierungszentren).
Auch wenn dieses neue Kontingent hinsichtlich seiner personellen, materiellen und operativen Kapazitäten autonomer sein wird, so werden Interventionen dennoch jederzeit von den aufnehmenden Mitgliedsstaaten überwacht werden, da diese letztlich Herr über ihre Grenzen bleiben. In seiner Stellungnahme vom Februar 2019 hat der Rat das Ziel der Kommission von 10.000 Grenzschutzbeamt*innen auf 2027 verschoben]. Ein Einsatz des Kontingents soll nicht vor dem 01. Januar 2021 erfolgen. Eine erste Überprüfung durch die Kommission soll im Juni 2023 stattfinden. In Zuge dessen wird überprüft, ob Änderungen der Größe oder Zusammensetzung des Kontingents erforderlich sind. Das Europäische Parlament hat diesen Vorschlag am 17. April 2019 angenommen. Die Veröffentlichung im Amtsblatt sollte entsprechend nur noch eine Frage von Tagen sein.
Schengen retten, bevor die Migrant*innen gerettet werden?
Ziel des Schengen-Raums war die Schaffung eines Raums ohne Binnengrenzen. Um dieses Ziel aber zu erreichen und gleichzeitig ein hohes Maß an Sicherheit in der EU zu gewährleisten, mussten wir auch über den Schutz unserer Außengrenzen nachdenken und uns darin einig werden, wer diesen Raum betreten darf. Ausgehend von dem Grundsatz, dass wir keine gemeinsame, sondern mehrere Außengrenzen haben, mussten wir gegenseitiges Vertrauen zwischen den Mitgliedsstaaten aufbauen.
Wo sind all diese Grundprinzipien des Schengen-Raums nach der Krise 2015 geblieben? Die Mitgliedsstaaten haben nach wie vor Schwierigkeiten damit, sich auf die Verteilung der Menschen zu einigen, die das Mittelmeer überquert haben und ein Land wie Griechenland hatte Schwierigkeiten, seine Küsten zu kontrollieren. Der Schengen-Raum wurde ständig in Frage gestellt. Angesichts dieser Bedrohungen haben die europäischen Staaten jedoch zunächst beschlossen, auf die Notwendigkeit zu reagieren, unseren Raum zu schützen, anstelle diejenigen zu retten, die versuchen das Mittelmeer zu überqueren.
Diese letzte Aufgabe ist im Vorschlag der Kommission nicht enthalten. Und doch ist es heute unerlässlich, unseren Umgang mit Flüchtenden, die das Mittelmeer überqueren, zu überdenken.
Die EU führt derzeit mehrere Missionen zu See durch: die Operation Themis in italienischen und maltesischen Gewässern, die Operation Poseidon in griechischen Gewässern sowie die Operationen Minerva und Indalo in spanischen Gewässern. Die Operation Sophia, die auf Libyen abzielt, wurde bis zum 30. September 2019 verlängert. Jedoch bleibt nur der Lufteinsatz unverändert, der Marineeinsatz wurde eingestellt.
Entsprechend wird es die libysche Küstenwache sein, die den Marineeinsatz in ihrem Seegebiet übernimmt. In dem Wissen, dass die Situation in Libyen angespannt ist. Im Süden von Tripolis kommt es zu Zusammenstößen zwischen Truppen von Marschall Khalifa Haftar und der Regierung von Fayez Al-Sarraj. Angesichts dieser Spannungen, die zu einer neuen Migrationswelle führen könnten, wird die EU bald schon ihre neuen Grenzschutzbeamt*innen einsetzen, um ihre Grenzen zu schützen. Aber wenn wir richtig darüber nachdenken, kann Schengen wirklich gerettet werden, wenn wir nur über die Frage der Sicherheit unseres „Hauses“ nachdenken, ohne an jene zu denken, die versuchen, einen Platz in diesem Haus zu finden? Die Frage der Seenotrettung von Migrant*innen und ihrer Behandlung auf europäischem Boden ist nach wie vor heikel für die europäischen Staaten, insbesondere im aktuellen von Populist*innen und den europäischen Wahlen geprägten Kontext…
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